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Sara

Sara

Titel: Sara
Autoren: Stephen King
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dagegen war ein Cop - genauer gesagt, Norris Ridgewick, der County-Sheriff persönlich. Und er kam mit der Waffe in der Hand zu meiner Tür.
    Der Wetterumschwung, den der Fernsehmoderator versprochen hatte, war schon da, ein kalter Wind gerade unterhalb von Sturmstärke hatte Wolken und Sturmzentren nach Osten geweht. Mindestens eine Stunde, nachdem der Regen aufgehört hatte, fielen im Wald noch Bäume um. Gegen fünf Uhr machte ich uns getoastete Käsesandwiches und Tomatensuppe … Nervenfutter, wie Jo gesagt hätte. Kyra aß lustlos, aber sie aß, und sie trank eine Menge Milch. Ich hatte ihr ein anderes T-Shirt von mir angezogen und ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ich bot ihr die weißen Haarbänder an, aber sie schüttelte nachdrücklich den Kopf und entschied sich statt dessen für ein Haargummi. »Ich mag diese Bänder nicht mehr«, sagte sie. Ich beschloß, daß ich sie auch nicht mehr mochte, und warf sie weg. Ki sah mir zu und machte keine Einwände. Dann ging ich durch das Wohnzimmer zum Holzofen.
    »Was machst du da?« Sie trank ihr zweites Glas Milch leer, wand sich von ihrem Stuhl herunter und kam zu mir.

    »Feuer. Vielleicht haben die vielen heißen Tage mein Blut dünn gemacht. Das hätte jedenfalls meine Mom gesagt.«
    Sie sah mir stumm zu, wie ich ein Blatt nach dem anderen von dem Stapel nahm, den ich vom Tisch geholt und auf den Holzofen gelegt hatte, jedes zusammenknüllte und zur Ofentür hineinwarf. Als ich dachte, daß es genug war, legte ich Anfeuerholz darauf.
    »Was steht auf diesem Papier?« fragte Ki.
    »Nichts Wichtiges.«
    »Ist es eine Geschichte?«
    »Eigentlich nicht. Es war mehr wie … oh, ich weiß auch nicht. Ein Kreuzworträtsel. Oder ein Brief.«
    »Ziemlich langer Brief«, sagte sie, und dann legte sie den Kopf auf mein Bein, als wäre sie müde.
    »Ja«, sagte ich. »Das sind Liebesbriefe für gewöhnlich, aber es ist nicht gut, sie aufzubewahren.«
    »Warum?«
    »Weil sie …« Zurückkommen und dich quälen können , kam mir in den Sinn, aber ich sagte es nicht. »Weil sie einem im späteren Leben peinlich sein können.«
    »Oh.«
    »Außerdem«, sagte ich, »in gewisser Weise sind diese Blätter wie deine Haarbänder.«
    »Du magst sie nicht mehr.«
    »Richtig.«
    Dann sah sie das Kästchen - das Blechkästchen, auf dem JoS KLEINIGKEITEN stand. Es befand sich auf dem Tresen zwischen Wohnzimmer und Spüle, nicht weit von der Stelle entfernt, wo die alte Krazy Kat an der Wand gehangen hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, daß ich das Kästchen aus dem Atelier mitgebracht hatte, aber das wunderte mich nicht; ich war ziemlich durcheinander gewesen. Ich halte auch für möglich, daß es … irgendwie von selbst dorthin gekommen sein könnte. Ich glaube inzwischen an so etwas; ich habe meine Gründe.
    Kyras Augen strahlten so, wie sie es nicht mehr getan hatten, seitdem sie aus ihrem kurzen Nickerchen erwacht war und festgestellt hatte, daß ihre Mutter tot war. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, damit sie an das Kästchen herankam, dann
strich sie mit ihren kleinen Fingern über die Goldbuchstaben. Ich dachte daran, wie wichtig es für ein Kind war, eine Blechdose zu besitzen. Man brauchte eine für seine heimlichen Sachen - das beste Spielzeug, das hübscheste Stück Spitze, den ersten Schmuck. Oder vielleicht ein Bild seiner Mutter.
    »Das ist so … schön «, sagte sie mit leiser, ehrfürchtiger Stimme.
    »Du kannst es haben, wenn dich nicht stört, daß JoS KLEINIGKEITEN draufsteht, und nicht KIS KLEINIGKEITEN. Es sind einige Papiere darin, die ich lesen möchte, aber die könnte ich anderswo unterbringen.«
    Sie sah mich an, um sich zu vergewissern, daß ich keinen Spaß machte, und stellte fest, daß ich es ernst meinte.
    »Das würde mir gefallen«, sagte sie mit derselben leisen, ehrfürchtigen Stimme.
    Ich nahm ihr das Kästchen ab, nahm die Stenoblocks, Zettel und Zeitungsausschnitte heraus und gab es Ki zurück. Sie übte, wie man den Deckel abnahm und wieder aufsetzte. »Rat mal, was ich da reintue«, sagte sie.
    »Geheime Schätze?«
    »Ja!« sagte sie und lächelte tatsächlich einen Augenblick. »Wer war Jo, Mike? Kennst du sie? Kenne ich sie? Ich kenne sie, richtig? Sie war eine von den Kühnschwankleuten.«
    »Sie -« Mir kam ein Gedanke. Ich blätterte die vergilbten Ausschnitte durch. Nichts. Ich dachte, ich hätte es irgendwo unterwegs verloren, dann sah ich eine Ecke von dem, was ich suchte, aus einem der Stenoblocks ragen. Ich zog es heraus
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