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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind
Autoren: Catherine Spencer
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kränkt. Wenn Sie möchten, wechseln wir das Thema und reden übers Wetter.“
    „Ich würde lieber gar nicht mit Ihnen sprechen. Vom ersten Augenblick an waren Sie unausstehlich, und ich habe keine Lust mehr, den Grund dafür herauszufinden. Allmählich vermute ich, Sie haben gar keinen, sondern sind ein professionelles Ekel.“
    „Jedenfalls wissen wir jetzt beide, was wir voneinander halten.“
    Er war wirklich unerschütterlich, es fehlte ihm völlig an Menschlichkeit und Wärme. Zwar sah er umwerfend gut aus, war aber wahrscheinlich so trocken wie juristische Fachliteratur.
    „Ach, rutschen Sie mir doch den Buckel runter“, erwiderte Lily heftig.
    „Warum so unhöflich?“ Erstaunt sah er sie an.
    Anscheinend bildet Sebastian Caine sich ein, das Monopol auf grobe Bemerkungen zu haben, dachte sie aufgebracht. „Weil es zwecklos ist, zu versuchen, im Umgang mit Ihnen nett zu sein. Sie wollen einfach so unerträglich wie möglich sein, ob mit Grund oder ohne.“
    Nun wurde das Essen serviert. Lily goss sich Ketchup auf den Teller und stach mit der Gabel in die Fritten.
    „Lassen Sie Ihren Ärger doch nicht am Essen aus, Miss Talbot. Sie spießen nur eine Kartoffel auf, nicht mein Herz.“
    „Ach, seien Sie doch still!“, erwiderte sie und fragte sich, wieso sie es für eine gute Idee gehalten hatte, ihren Vater zu besuchen. Hugo Preston hatte zwar so geklungen, als würde er sich freuen, sie kennenzulernen, aber hatte er jemals von sich aus versucht, mit ihr in Verbindung zu treten? Nein! Und sie hatte zurzeit genug Probleme, auch ohne sich mit seinem abscheulichen Stiefsohn abgeben zu müssen. „Los, essen wir endlich, damit wir diesen grässlichen Abend so schnell wie möglich hinter uns bringen“, fügte sie hinzu.
    Daraus sollte nichts werden. Mit der Rechnung brachte die Kellnerin auch schlechte Nachrichten. „Ich hoffe, Sie haben es heute nicht mehr weit. Gerade habe ich gehört, dass es im gesamten Gebiet Überschwemmungen gibt. Die Polizei fordert die Leute auf, zu Hause zu bleiben.“
    „Das hat mir gerade noch gefehlt, um diesem Tag die Krone aufzusetzen.“ Sebastian legte einige Dollarscheine auf den Tisch und funkelte sie, Lily, so wütend an, als hätte sie persönlich das Unwetter heraufbeschworen. „Nehmen Sie Ihren Kram, und lassen Sie uns losfahren.“
    „Die Polizei warnt doch vor unnötigen Fahrten.“
    Er packte sie am Ellbogen und führte sie nach draußen. „Was bleibt uns anderes übrig? Oder möchten Sie hier übernachten?“
    „Auf gar keinen Fall!“
    Kleine Rinnsale überschwemmten bereits den Parkplatz, was Lily erst merkte, als sie in eines trat und ihr das Wasser an die Beine spritzte. Bis sie zum Auto kam, war sie völlig durchnässt.
    Heftig fluchend startete Sebastian den Motor und schaltete den Scheibenwischer ein, dann fuhr er vorsichtig über den unebenen Boden zur Straße. Sofort beschlugen die Scheiben von innen, und es roch nach feuchtem Stoff.
    Die Fahrverhältnisse waren mehr als schlecht, sie waren katastrophal. Es war, als würde man in einen unbeleuchteten Tunnel fahren, ohne zu wissen, wohin er führte. Lily ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sich ihre Fingernägel in die Handflächen gruben, und flehte im Stillen darum, dass sie Stentonbridge ohne Zwischenfall erreichen würden. Nach etwa sechzig Kilometern brachte Sebastian jedoch das Auto mit quietschenden Bremsen zum Stehen.
    Die Gegend schien menschenleer zu sein, man sah keine hellen Fenster von Farmhäusern und schon gar keine erleuchteten Schaufenster oder Straßenlaternen. Der Regen prasselte aufs Autodach, neben der Straße konnte man schwach die dunklen Umrisse sturmgepeitschter Bäume ausmachen.
    „Warum halten Sie?“, erkundigte Lily sich. „Oder darf ich das nicht fragen?“
    Dann entdeckte sie den Grund: Vor ihnen war eine kleine Schlucht, die Brücke darüber war jedoch verschwunden. Ein Wildbach stürzte den Hang herunter und riss alles mit sich, was sich ihm in den Weg stellte. Nur wenige Meter weiter, und das Auto wäre ins tosende Wasser gestürzt.
    Entsetzt atmete Lily scharf ein.
    „Sie sehen es ja“, meinte Sebastian.
    Obwohl es Juli und warm war, wurde ihr eiskalt. Auf diese Weise schlug also das Schicksal zu: In einem Moment war man noch lebendig und machte Pläne für den folgenden Tag … und dann war in Sekundenbruchteilen alles vorbei. So war es ihren Eltern geschehen, und nun hätte es beinah auch sie, Lily, getroffen.
    Sie versuchte, tief durchzuatmen, aber
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