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Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten
Autoren: George R. R. Martin
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Raumschiffes erwählte, aber sie war in ihrem Beruf sehr tüchtig, und ich hatte sie gern um mich, weil ich meinen Verstand an ihr wetzen konnte. Sie war ein kluger Kopf, diese Arla, und das schätzte ich mehr als blinden Gehorsam. Vielleicht war das eine Sünde.
    »Das ist etwas anderes«, erwiderte ich.
    »Tatsächlich?« schnappte sie zurück. Ihr Blick ging durch meine Masken hindurch. »Ach, Damien, geben Sie es doch zu. Das Buch hat Ihnen ganz gut gefallen.«
    Ich räusperte mich. »Es hat mein Interesse geweckt«, erkannte ich an. Ich mußte mich rechtfertigen. »Sie kennen ja die Sachen, mit denen ich mich gewöhnlich abgeben muß. Trockene kleine Abweichungen von der Doktrin, obskure Haarspaltereien über theologische Fragen, die irgendwie alle aus der Proportion geraten sind, unverfrorene politische Schachzüge, die nur den einen Zweck haben, einen ehrgeizigen planetarischen Bischof als neuen Papst einzusetzen oder Neu-Rom oder Vess diese oder jene Konzession abzuringen. Der Krieg ist endlos, doch die Schlachten sind stumpfsinnig und schmutzig. Sie erschöpfen mich, geistig, emotional, physisch. Hinterher fühle ich mich ausgesogen und schuldig.« Ich tippte auf den Ledereinband des Buches. »Dies hier ist anders. Die Häresie muß natürlich ausgemerzt werden, aber ich gebe zu, daß ich es kaum erwarten kann, diesen Lukyan Judasson kennenzulernen.«
»Die Aufmachung ist auch hübsch«, meinte Arla und blätterte in Der Weg von Kreuz und Drachen. Sie hielt inne, um sich einen besonders ins Auge fallenden Stich genauer anzusehen, Judas, wie er über seine Drachen weint, glaube ich. Ich mußte lächeln, weil sie davon genauso angetan war wie ich. Dann runzelte ich die Stirn.
    Das war der erste Fingerzeig für die Schwierigkeiten, die vor mir lagen.
    So geschah es, daß die Wahrheit Christi zu der Porzellanstadt Ammadon auf der Welt Arion gelangte, wo der Orden vom heiligen Judas Iskariot beheimatet war.
    Arion war eine nette, freundliche Welt, die seit dreihundert Jahren bewohnt war. Die Bevölkerungszahl lag unter neun Millionen, von denen Ammadon, die einzige wirkliche Stadt, zwei beherbergte. Der technologische Standard hatte eine mittlere Höhe erreicht, war allerdings in der Hauptsache importiert. Es gab wenig Industrie auf Arion und kaum Erfindergeist, außer vielleicht auf künstlerischem Gebiet. Denn die Künste waren hier ziemlich wichtig, sie blühten und gediehen. Religiöse Freiheit war ein wesentlicher Grundsatz der Gesellschaft, doch war Arion eigentlich auch keine besonders religiöse Welt, und die Mehrheit der Bevölkerung lebte ein herzlich säkulares Leben. Die populärste Religion war der Ästhetizismus, den man im Grunde kaum als Religion ansehen kann. Daneben gab es Taoisten, Erikaner, Altchristen und Kinder des Träumers — außer einem Dutzend untergeordneter Sekten.
    Und schließlich gab es neun Kirchen des Einen Wahren Interstellaren Katholischen Glaubens. Früher waren es zwölf gewesen.
    In den anderen drei wurde inzwischen dem sich auf Arion am raschesten ausbreitenden Glauben gehuldigt, dem Orden des heiligen Judas Iskariot, der außerdem  noch ein Dutzend neuerbauter Kirchen besaß.
    Der Bischof von Arion war ein dunkler, strenger Mann mit kurzgeschnittenem schwarzem Haar, der durchaus nicht glücklich war, mich zu sehen. »Damien Her Varis!« rief er einigermaßen verwundert aus, als ich ihn in seiner Residenz aufsuchte. »Wir haben natürlich von Ihnen gehört, aber ich hätte mir nicht träumen lassen, Sie einmal persönlich kennenzulernen oder gar als Gast zu begrüßen. Wir sind hier nur eine kleine Schar...«
»Die immer kleiner wird«, unterbrach ich ihn. »Eine Angelegenheit, die meinen Lordkomtur, Bischof Torgathon, ziemlich besorgt stimmt. Offenbar macht es Ihnen weniger aus, Exzellenz, da Sie es nicht einmal für nötig befunden haben, uns über die Aktivitäten dieser Sekte der Judasanbeter zu unterrichten.«
    Der Bischof schnitt bei dieser Zurechtweisung ein ärgerliches Gesicht, schluckte seinen Zorn aber rasch hinunter. Selbst für einen Bischof gab es Gründe, sich vor einem Ritter der Inquisition in acht zu nehmen. »Natürlich machen wir uns Sorgen«, erwiderte er. »Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Häresie zu bekämpfen. Wenn Sie uns diesbezüglich beraten könnten, würde ich Ihnen mit größter Freude zuhören.«
»Ich bin Inquisitor des militanten Ordens der Ritter Jesu Christi«, sagte ich grob. »Ich gebe keine Ratschläge, Exzellenz,
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