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Sanchas Hofnarr (German Edition)

Sanchas Hofnarr (German Edition)

Titel: Sanchas Hofnarr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Inneren des Schuppens zu seinen Füßen, um ihm zuzuhören, wenn er von seinen Reisen erzählte, oder aber sie studierte an seiner Seite das wertvolle Buch, das er mit sich herumschleppte und als seinen größten Schatz bezeichnete. Dabei kugelte sie sich oft vor Lachen über seine verschlungene Rede. Doch sie verbesserte ihn auch, lehrte ihn neue Wörter und schalt ihn einen Narren, wenn er sich absichtlich dumm stellte, nur um sie zum Lachen zu bringen, denn er kam ihr klüger vor als jeder andere, der sich vor ihr im Castillo aufplusterte.
    Am vierten Tag, der Hundebiss war schon verschorft, brachte sie ihm neben einem gebratenen Huhn eine fünfschwänzige blaugraue Narrengugel, die ihm nach ihrem Dafürhalten ausnehmend gut stand. Sie hatte sogar ihren wertvollen Spiegel mitgeschleppt und drängte Hagelstein ans Tageslicht zu treten und sich darin zu betrachten.
    Irritiert runzelte er die Stirn, als er in den Spiegel sah. Er machte absichtlich eine hochnäsige Miene und meinte:

    „Was mich auch stets mit Freud erfüllt,
    ist ein ein gar trefflich Heiligbild!“

    Sancha jubelte. Genauso hatte sie sich ihren „trefflichen Hofnarren“ vorgestellt, sollte sie einmal Königin werden. Jetzt musste sie ihn nur noch dazu bringen, dass er die schellenbesetzten Beinlinge anzog, die sie heimlich beim Schneider in Auftrag gegeben hatte, ein Bein grün, das andere rot, beide besonders lang geschnitten, dann würde sie Blauauge vor Pedro, den König, schleppen …

    D raußen heulte der Wind und die Dachsparren knarzten …
    „Möchtest du noch einen Schluck Wein, Liebster?“
    Als Ro ç dankbar nickte, erhob sich Sancha, nackt wie sie noch immer war, um die hohe Cimarre zu holen, die drüben auf dem Tisch stand.
    Ro ç setzte sich auf, schob sich ein Kissen in den Rücken und hielt ihr den Becher entgegen.
    Beim Einschenken überlegte sie kurz, ob sie ihrem Mann auch von der lächerlichen Posse berichten sollte, die Falk von Hagelstein um ein Haar den Kopf gekostet hätte. Sancha ahnte, nein, sie wusste, dass Ro ç sie nicht mochte. Ihr Herz ließ sich nicht täuschen. Die Gründe waren vielfältig. Da war der große Altersunterschied. Fast zwölf Jahre. Kein Wunder, dass er an Rosaire hing. Aber konnte sie, Sancha, Ro ç nicht wenigstens eine Stütze sein? Eine Ratgeberin in allen Belangen? Er musste unbedingt lernen, ihr zu vertrauen! Deshalb gab sie sich einen Ruck und schwatzte - selbst befeuert vom rotschimmernden Wein - unbeirrt weiter ...

    Nachdem sie Blauauge ins Castillo geschmuggelt und ihm im Dienstbotenbereich eine Kammer zugewiesen hatte, für die sie allein den Schlüssel besaß, gab sie sich ihm gegenüber als Prinzessin zu erkennen, freute sich diebisch über sein Erschrecken, und bereitete ihn auf seine erste Audienz bei Pedro vor. Sie lehrte ihn die Höfischkeit, feilte täglich an seiner Sprache und schleppte zu diesem Behufe Heiligenviten, Fabelsammlungen und Romane an, um ihm daraus vorzulesen.
    Die Lehrstunden in den artes liberales, die sie ihrem Schützling erteilte, bereiteten ihr höchstes Vergnügen. Sie selbst glaubte nämlich, längst ausreichend in Latein, Rechnen, Schriftkunde und Musik geschult zu sein. Sogar mit den Gesetzen über Grund und Boden sei sie vertraut, tat sie sich vor ihm hervor, sowie mit den Tugenden und Aufgaben, die sie später an der Seite eines Fürsten oder Königs würde wahrnehmen müssen. „Glaub mir, Blauauge, ich spreche selbst Roman und Frances - für den Fall, dass mich mein Bruder ins Ausland verheiratet. Und das Credo, bei Gott, aber auch das Vaterunser, die Psalmen und wichtigsten Glaubensregeln, die kann ich sogar schneller auswendig aufsagen als meine fromme Schwester Leonora.“
    Bei nahezu jeder Gelegenheit hätte sie sich in die Kammer des Narren geschlichen, erklärte Sancha ihrem Gemahl, der mit dem Kopfschütteln über ihre Keckheit gar nicht nachkam.
    „Aber ich schob dessen Vorstellung bei Pedro hinaus“, fuhr sie fort, „denn ich hatte nachgedacht und war zu der Erkenntnis gelangt, dass mir mein Bruder jeden weiteren Umgang mit einem Fremdling verbieten würde. Doch plötzlich suchte der Narr um seine Freiheit nach. Es dränge ihn in die Ferne, klagte er, und er zitierte:

    Wo einem Reichen Macht zu eigen,
    soll er sich andern gnädig zeigen!

    Gnädig zeigen? Ich war verzweifelt. Was konnte ich bloß tun, um diesen teuren Freund nicht zu verlieren?
    In meiner Not, und hin und hergerissen von meinen Gefühlen, bat ich ihn um einen Aufschub
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