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Samtheiß

Samtheiß

Titel: Samtheiß
Autoren: Unknown
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Frühlings nach dem Tod ihrer Mutter war sie den stets wachsamen Augen ihrer Geschwister entwischt und in den Hühnerstall gekrochen, wo sie lange Zeit die Küken betrachtete und versuchte, sich zu entscheiden, welches ihr am besten gefiel. Endlich fiel ihre Wahl auf eines, das lauter als alle anderen piepste. Sie hielt den weichen Federflaum in der Farbe frischer Butter an ihre Wange, aber irgendwie war das nicht nahe genug; sie wollte das Küken in ihrem Inneren.
    Sie öffnete den Mund so weit sie nur konnte und setzte das Küken auf ihre Zunge. Es bewegte sich etwas und pickte gegen ihren Gaumen und war dann ganz ruhig.
    Sie schloß ihre Augen und atmete langsam und gleichmäßig, ein paar Minuten lang. Dann setze sie das Küken vorsichtig zurück unter die Brutlampe und ging ins Haus.
    Jetzt drückte sie das Kätzchen noch ein letztes Mal, ließ es dann gehen und stand auf, um sich Kaffee zu kochen. Eine halbe Stunde später verließ sie das Haus durch die Hintertür, ging den unbefestigten Weg zwischen den kleinen Silberpappeln hindurch, denen sie den Garten ihres Vaters überlassen hatte, überquerte eine kleine, lichte Rasenfläche und öffnete die Hintertür des Altersheims, wo sie für die Wäsche zuständig war.
    Nachdem sie in Roberts Zimmer geschlüpft war, schloß sie schnell die Tür hinter sich und ging zu seinem Bett. Er hatte ihr erzählt, er sei fünfundsechzig, aber er sah eher aus wie fünfundsiebzig. Dünnes graues Haar fiel über seine blasse, faltige Stirn, und sein Blick wirkte ohne die Brille wässrig. »Hallo, mein Süßer«, sagte sie. »Wo ist denn dein Zimmergenosse? «
    »Oh, er ist im Badezimmer. Du kennst ihn ja. Er bleibt ewig drin! Hat dich jemand reinkommen sehen? Ich will nicht, daß du wieder Ärger bekommst. Was ist, wenn Mrs. Stevens dich rausschmeißt?«
    »Was soll ich denn machen, wenn ich zur Arbeit komme und das erste, was ich sehe, dieser gutaussehende große Mann ist? Außerdem hat mich keiner gesehen.« Sie beugte sich über ihn und küßte ihn lang und innig auf den Mund. Dann ließ sie blitzschnell ihre Hand unter seine Pyjamahose gleiten und griff zärtlich nach seinem Penis.
    »Josie«, flüsterte er. »Was ist, wenn jemand kommt?«
    Sie drückte seinen Penis und richtete sich auf, um ihn anzusehen. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, die dunklen Pupillen funkelten wie scharfe Splitter, und sie warf den Kopf in den Nacken und lachte.
    »Wäre das nicht mal lustig?« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muß gehen.« Leise schlich sie zur Tür, öffnete sie langsam und sah vorsichtig nach rechts und links. »Bis später«, flüsterte sie und glitt auf den Flur.
    Als sie um die Ecke kam, stand sie plötzlich direkt vor Mrs. Stevens, die den Korridor entlangeilte.
    Bevor Josie sich auch nur eine Entschuldigung dafür ausdenken konnte, daß sie so früh am Morgen so nah an Roberts Zimmer war, sagte Mrs. Stevens schon: »Josie, ich fürchte, wir müssen uns mal unterhalten... Ich mag Sie und Sie machen Ihre Arbeit wirklich gut, aber... nun, Sie scheinen einen der Bewohner, nämlich Robert, etwas zu sympathisch zu finden. Und... äh... Ihre Schwester Tina und Ihr Bruder Peter waren gestern abend hier, um Minnie zu besuchen, und ein Wort gab das andere und wir sind uns einig, daß...«, Mrs. Stevens hielt inne und blickte den Korridor entlang, als ob sie die Worte, die ihr fehlten, an den mattgrünen Wänden finden könnte.
    Josie hielt den Atem an, und ihr Herz schlug schneller. Sie durfte diesen Job nicht verlieren. Sie mußte Geld verdienen, und andere Jobs gab es bloß noch im alten, heruntergekommenen Restaurant an der Hauptstraße, wo sie einmal als Kellnerin gejobbt hatte. Unwillkürlich mußte sie sich schütteln.
    Mrs. Stevens holte tief Luft und fuhr fort. »Sie wissen, wie die Leute in dieser Stadt reden, und ich muß an den guten Ruf dieses Hauses denken. Also wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie daran denken könnten, daß Robert hier zahlender Bewohner ist und Sie eine Angestellte sind.«
    Josie lachte gezwungen. »Ich glaube, daran kann ich denken.«
    »Ich wußte, daß Sie das verstehen.« Sie klopfte Josie auf die Schulter. »Bis später dann.«
    Alles, was ich verstehe, dachte Josie, als die den Flur hinunterstampfte, ist, daß wir beide Menschen sind, und was ich in meiner Freizeit mache, geht keinen etwas an!
    Den ganzen Morgen arbeitete sie wie besessen in der Waschküche und ließ ihren Ärger an fünfunddreißig Bettbezügen,
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