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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Hut kosteten wohl so viel wie Susannes gesamte Garnitur. Sein grüner Rock mit den gekordelten Tressen und schönen Besätzen und die Kniehose aus Samt hatten Susannes Vermutung nach den gleichen Wert wie die Alltagskleidung ihrer ganzen Familie zusammengenommen.

    Einschüchtern ließ sie sich von dem Standesunterschied nicht, denn ihr Vater war als unbescholtener und erfolgreicher Böttchermeister kaum weniger angesehen als Sülfmeister Lossius. Dennoch konnte sie mit den hohen Gästen nicht ganz unbefangen umgehen, da ihre Gunst für die Böttcherei viel bedeutete.
    Während ihr Vater und Martin mit Hinrik Lossius und seinem Sohn am Tisch ins Gespräch vertieft waren, saß sie gemeinsam mit Regine, adrett gekleidet, abseits vom Tisch und beschäftigte sich mit kleinen Nadelarbeiten. Sie sollte bei der Hand sein, um Apfelmost oder Wein nachzuschenken, Kuchen oder Brot aus der Küche nachzuholen.
    Regine an solchen Gelegenheiten teilhaben zu lassen war eine Entscheidung ihrer Eltern, der eine Mischung aus Stolz, Trotz und Klugheit zugrunde lag. Regine schmückte den Raum mit ihrer Schönheit und bewies durch ihr sanftes Benehmen, dass sie keine Monstrosität war, die man verstecken musste. So wurde den bösen Gerüchteköchen das Feuer im Herd erstickt, und Regine hatte gleichzeitig eine Abwechslung. Sie liebte solche Tage, an denen es für alle Kuchen gab.
    Susanne ließ ihre Hände mit der Säumarbeit für einen Moment in den Schoß sinken und warf einen Blick auf ihre Schwester. Auch Regine hatte in ihrer Stickerei innegehalten. Unverblümt starrte sie Lenhardt Lossius an. Susanne konnte es ihr nicht verdenken. Womöglich hatten die »Lüneburger Gänse« recht, und er war tatsächlich der prächtigste junge Mann der Stadt. Ihre Schwester lächelte verzückt, als würde sie einen geschmückten Erntewagen bestaunen. Susanne schmunzelte. »Regine, was stickst du als Nächstes?«, fragte sie leise und lenkte sie damit erfolgreich vom jungen Lossius ab.

    Regine blickte zurück auf ihre Stickerei. »Oh. Eine Rose. Eine weiße Rose.« Sie hielt Susanne kurz ihr Arbeitsstück entgegen, dann vertiefte sie sich wieder in die Gestaltung ihres Werks. Sie stickte seit Jahren an einer Vielzahl von weißen Blüten auf dem grünen Grund eines Schals. Alle sollten Rosen sein und sahen doch ganz unterschiedlich aus.
    Susanne nickte. »Schön.« Prüfend sah sie zum Tisch hinüber. Die Gläser waren noch gefüllt, und der Sülfmeister biss mit sichtlichem Wohlbehagen in den buttrigen Topfkuchen, während er ihrem Vater zuhörte, der sein Angebot beschrieb. Sein verrufener Sohn musterte jedoch zu Susannes Erschrecken nicht etwa Ulrich Büttner, sondern Regine. Sein Gesichtsausdruck war dabei kaum weniger verzückt, als Regines es kurz zuvor gewesen war. Ein beunruhigendes Gefühl überfiel Susanne. Regine war äußerlich eine schöne Frau, würde jedoch innerlich wohl nie erwachsen werden. Auch wenn Susanne nicht wollte, dass jemand ihre Schwester für schwachsinnig hielt, machte es ihr Sorgen, wenn ein Mann sie ansah, als wäre sie ein gewöhnliches Mädchen.
    Unwillkürlich zog sie die Brauen zusammen und betrachtete angestrengt die Saumnaht zwischen ihren Fingern. Sülfmeister Lossius und Martin lachten über einen Scherz ihres Vaters. Als sie aufblickte, erwischte sie Lenhardt dabei, wie er nun sie selbst betrachtete. Er lächelte sie an, und sie spürte, wie sie errötete.
    »Susannchen, was haben wir noch anzubieten? Der junge Herr Lossius scheint keinen Kuchen zu mögen«, sagte ihr Vater gut gelaunt.
    Susanne erwiderte höflich Lenhardts Lächeln und erhob sich. »Da finden wir sicher etwas. Mögt Ihr lieber geräucherte Hammelkeule, Fleischbällchen oder Kirschkompott?«

    »Das ist mir alles so lieb wie der Kuchen. Wenn ich noch nicht zugegriffen habe, so liegt es daran, dass ich vorher um etwas anderes bitten möchte. Ich bin neugierig und würde gern Eure Werkstatt ansehen, Meister Büttner. Ihr müsst Euch dadurch nicht stören lassen. Vielleicht führt mich Euer Sohn oder eine Eurer Töchter, während Ihr mit meinem Vater die wichtigsten Dinge beredet?«
    Ulrich Büttner lachte. »Ihr wollt doch wohl nicht zum Handwerk wechseln, mein Herr? Aber bitte, gebt Eurer Neugier nach. Mein zweiter Sohn und der Geselle sind bei der Arbeit und können Euch alles zeigen. Susanne führt Euch hinüber.«
    »Dank Euch.« Lenhardt stand auf und sah so zufrieden aus, als er mit Susanne die gute Stube verließ, dass sie stutzig wurde.
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