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Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Autoren: Waris Dirie
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Doktor Acina bei Safa tut.« Joanna hatte recht.
    »Außerdem benötigen wir einen verlässlichen Partner vor Ort, der die Gelder auch wirklich ausbezahlt«, gab Sophie zu bedenken. »Immerhin haben wir als Desert Flower Foundation einen guten Ruf zu verlieren.«
    Walter ergriff das Wort. »In Europa gibt es doch den Mutter-Kind-Pass. So etwas müssen wir auch in Afrika einführen. Jede Mutter, die sich bereit erklärt, ihre Tochter nicht beschneiden zu lassen, erhält bei Vertragsabschluss einen Mutter-Kind-Pass. Darin sind Fotos von ihr und ihrer Tochter, außerdem die Namen und Geburtsdaten der beiden. Jeden dritten Monat, wenn sich die Mutter den Geldbetrag ausbezahlen lässt, kommt ein entsprechender Vermerk in den Pass. Ebenso werden alle medizinischen Untersuchungen vermerkt, die sicherstellen, dass die Mädchen unversehrt sind.«
    Ich war spontan begeistert von der Idee. »Genau! Und wenn eine Familie nicht nachweisen kann, dass ihre Tochter unbeschnitten ist, bekommt sie eben kein Geld«, fasste ich Walters Idee zusammen.
    »Verpflichtende Schulungen sollte es für die Mütter außerdem geben«, fügte Sophie hinzu. Die engagierte Foundation-Mitarbeiterin hatte im Rahmen ihrer Schulung von Inab, Safa und Idriss in Wien am eigenen Leib erfahren, dass die Menschen in Afrika so gut wie nichts über weibliche Genitalverstümmelung, deren fatale Folgen und die Sinnlosigkeit dieses grausamen Rituals wussten.
    »Die Frauen dort wissen gar nicht, dass sie und ihre Kinder auch Rechte haben«, pflichtete Joanna ihrer Kollegin bei, nahm ein leeres Blatt Papier zur Hand und machte sich darauf Notizen zu unserem Gespräch.
    Ich hörte aufmerksam zu und genoss es in vollen Zügen, mit meinem motivierten und engagierten Team zu arbeiten.
    Walter wollte sofort Nägel mit Köpfen machen. »In Ordnung, wir schreiben ein Konzept. Der Plan könnte durchaus funktionieren. Zwar gibt es viele Organisationen, die solche Patenschaften anbieten, aber bei keiner werden die Mädchen tatsächlich und überprüfbar vor dem Verbrechen der Genitalverstümmelung geschützt«, überlegte er laut.
    Da stand plötzlich Safas Vater in der Terrassentür und guckte uns neugierig an.
    »Guten Morgen, Idriss«, begrüßte ich ihn. »Setz dich zu uns. Wir sprechen gerade über unser neuestes Desert-Flower-Projekt.« Ich erklärte ihm in wenigen Worten, was wir vorhatten.
    Safas Vater lachte stolz. Immerhin gehörte er nun auch zu der großen Desert-Flower-Familie.
    Alle gemeinsam machten wir uns weiter Gedanken über die Umsetzbarkeit und Finanzierung unseres neuen Projekts, von nun an auf Französisch, damit unser Gast die Diskussion verfolgen konnte.
    Tatsächlich ergriff Idriss nach einer Weile das Wort. »Im Durchschnitt haben die Menschen in Balbala umgerechnet rund dreißig Euro im Monat zur Verfügung. Damit kann eine Familie mehr schlecht als recht überleben. Geld für Medikamente, Arztbesuche, für die Schule, für Kleider oder ein festes Dach über dem Kopf bleibt da allerdings nicht«, schilderte uns Safas Vater die Situation in seiner Heimat. »Wenn die Leute in Dschibuti die Möglichkeit haben, über einen Mutter-Kind-Pass ein wenig mehr einzunehmen, werden sie das dankbar annehmen und alle Bedingungen akzeptieren. Sie werden ihre Töchter mit Sicherheit nicht mehr beschneiden, weil sie sonst viel zu viel verlieren würden. Immerhin beträgt der Brautpreis, den sie für ein beschnittenes Mädchen erhalten, nicht mehr als umgerechnet einhundert Euro. Und das ist eine einmalige Zahlung. Die finanzielle Unterstützung durch das Desert-Flower-Patenschaftsprojekt dagegen geht nicht nur über mehrere Jahre, sondern die gezahlte Summe überschreitet diesen Betrag bei weitem.«
    Idriss hatte Sinn und Zweck unserer neuen Idee sofort richtig erfasst und hielt nun regelrecht eine Ansprache. Von dem resignierenden Mann, der gestern Abend noch von einem ewigen Leben in Armut und Hoffnungslosigkeit gesprochen hatte, war nichts mehr übrig.
    »Selbst die Starrköpfigsten werden lieber das Geld für ein besseres Leben nehmen, als ihre Töchter beschneiden zu lassen«, fuhr er euphorisch fort. »Schon in der nächsten Generation wird diese Praxis allmählich in Vergessenheit geraten. Davon bin ich fest überzeugt.«
    Inab und Safa waren inzwischen auch in den Garten gekommen und hatten seine Rede verfolgt. Begeistert klatschten sie in die Hände. Die Augen des Mannes begannen in der Morgensonne zu glänzen – vor Stolz und vor Begeisterung für seine
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