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Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Autoren: Waris Dirie
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können oder um berühmt zu werden. Nein, ich tue das, um alle Mädchen und Frauen, ja, alle Menschen eines Tages glücklich zu sehen. Sich gegenseitig zu respektieren und zu lieben, das ist es, was wir Menschen brauchen. Das einem anderen Menschen zu geben, kostet uns keinen Cent. Ich möchte hiermit herzlich danke sagen. Ich habe bereits viele Auszeichnungen bekommen, und nun raten Sie einmal, wo die meisten herkamen. Ich will es Ihnen sagen: Sie kamen aus Deutschland. Deshalb möchte ich heute Abend etwas loswerden: Ich liebe dich, Deutschland!«
    Die Menge jubelte, und nach einer kurzen Pause sprach ich weiter.
    »Alles, was ich bisher in meinem Leben getan habe, habe ich aus einem einzigen Grund getan, mit einem Ziel vor Augen, nämlich diesem ekelhaften, grausamen, zynischen Verbrechen an unschuldigen kleinen Mädchen ein Ende zu setzen. Um diese schreckliche Praxis FGM ein für alle Mal auszumerzen.«
    Wieder spendete das Publikum johlend Beifall, und aus den hinteren Reihen hörte ich Rufe wie: »Das muss endlich aufhören!«, oder: »So etwas darf nicht länger toleriert werden!«
    »Ich habe zu diesem Zweck einen Film gedreht, ich habe viel diskutiert, ich habe weite Strecken zurückgelegt, auf der ganzen Welt vor zigtausend Menschen gesprochen und mehrere Bücher geschrieben. Trotzdem verschwindet das Grauen nicht schnell genug. Irgendwann habe ich realisiert, dass die Lösung dieses Problems nicht allein meine Aufgabe ist, sondern unser aller Aufgabe. Jemand musste diesen Kampf jedoch beginnen, und dieser jemand war ich. Nicht nur, weil ich selbst Opfer dieses Verbrechens geworden bin, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass sonst niemand etwas dagegen unternimmt. Obwohl einige Menschen wussten, dass diese grauenvolle Praxis existiert, verschlossen sie die Augen, und kaum einer unternahm etwas. Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich bin selbst Mutter, und wenn ich höre, dass Menschen ihren Kindern solche scheußlichen Dinge antun, kann ich es kaum fassen. Und es geht hier nicht nur um FGM  … Jedes Verbrechen und jeder Missbrauch an Kindern, egal wo auf der Welt sie sich befinden, darf nicht toleriert werden! Das ist das Schlimmste, was ein Mensch tun kann, ein Erwachsener, ein Vater oder eine Mutter. Sie müssten ihre Kinder eigentlich beschützen, statt ihnen das Wertvollste zu rauben: ihr Vertrauen und ihre Unbeschwertheit, ihre Kindheit.«
    Erneut machte ich eine kurze Pause, um mich zu sammeln, ehe ich die Stimme noch einmal erhob.
    »Ich könnte durchaus die ganze Nacht hier stehen und zu Ihnen sprechen, deshalb will ich jetzt zum Ende kommen. Ich habe einen Kurzfilm drehen lassen, über ein kleines Mädchen, meine kleine Wüstenblume: Safa. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen den Film
Wüstenblume
gesehen haben. Safa spielt mich darin, als ich als Fünfjährige beschnitten wurde. Da ich bereits so viel getan und versucht habe, um die Menschen wachzurütteln, und da es oft kaum Wirkung gezeigt hat, dachte ich, dass ich es künftig auf eine andere Weise versuchen will.
    Die Szene, die Sie gleich sehen werden, ist sehr verstörend und grausam, es ist jedoch die nackte Wahrheit, die ich Ihnen nun zeigen werde. Bevor ich Ihnen diesen Film jetzt zeige, möchte ich Ihnen noch eine große Ankündigung machen. Meine neue Mission ist es, jedes Jahr eintausend Mädchen wie die kleine Safa zu retten. Eintausend Mädchen pro Jahr! Wird es schwer? … Ja! Wird es anstrengend? … Ja! Wird es ein harter Kampf sein? … Ja, das wird es ganz sicher! Ist es möglich?«, wandte ich mich an das Publikum.
    »Ja!«, ertönte es aus allen Ecken des Saales.
    »Ja!«, rief auch ich. »Und ich werde es schaffen. Nein, mit Ihrer Hilfe werden wir es schaffen! Ich stehe heute hier und möchte danke sagen für Ihre Hilfe, Ihre Unterstützung, Ihre Liebe. Danke, es bedeutet mir unendlich viel, denn alleine werde ich es nicht schaffen. Sie sehen nun den Clip, doch davor … Safa! Willst du kurz zu mir auf die Bühne kommen, mein Baby?«
    Safa erhob sich aus der ersten Reihe und kam in ihrem weißen Kleidchen auf die Bühne. Einen Moment später stand das siebenjährige Mädchen aus Balbala vor diesem Riesenpublikum.
    »Das ist Safa, unsere kleine Wüstenblume, das erste von eintausend Mädchen.«
    Tosender Applaus ertönte, alle Menschen im Saal hatten sich von ihren Stühlen erhoben und klatschten gerührt in die Hände. Doch ich sah sie nicht. Ich sah nur Safa, die mir glücklich in die Arme fiel. Ich hob
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