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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
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mit.
     
    Kirchenvogt.
Seht, Herr, das tu ich gern. Seit alten Zeiten
Gibts zwischen unsern beiden Grafenhäusern,
Von Rossitz und von Warwand einen Erbvertrag,
Kraft dessen nach dem gänzlichen Aussterben
Des einen Stamms, der gänzliche Besitztum
Desselben an den andern fallen sollte.
     
    Jeronimus.
Zur Sache, Alter! das gehört zur Sache nicht.
     
    Kirchenvogt.
Ei, Herr, der Erbvertrag gehört zur Sache.
Denn das ist just als sagtest du, der Apfel
Gehöre nicht zum Sündenfall.
     
    Jeronimus.   Nun denn,
So sprich.
     
    Kirchenvogt.    Ich sprech! Als unser jetzger Herr
An die Regierung treten sollte, ward
Er plötzlich krank. Er lag zwei Tage lang
In Ohnmacht; alles hielt ihn schon für tot,
Und Graf Sylvester griff als Erbe schon
Zur Hinterlassenschaft, als wiederum
Der gute Herr lebendig ward. Nun hätt
Der Tod in Warwand keine größre Trauer
Erwecken können, als die böse Nachricht.
     
    Jeronimus.
Wer hat dir das gesagt?
     
    Kirchenvogt.       Herr, zwanzig Jahre sinds,
Kanns nicht beschwören mehr.
     
    Jeronimus.   Sprich weiter.
     
    Kirchenvogt.       Herr,
Ich spreche weiter. Seit der Zeit hat der
Sylvester stets nach unsrer Grafschaft her
Geschielt, wie eine Katze nach dem Knochen,
An dem der Hund nagt.
     
    Jeronimus.       Tat er das!
     
    Kirchenvogt.   Sooft
Ein Junker unserm Herrn geboren ward,
Soll er, spricht man, erblaßt sein.
     
    Jeronimus.    Wirklich?
     
    Kirchenvogt.       Nun,
Weil alles Warten und Gedulden doch
Vergebens war, und die zwei Knaben wie
Die Pappeln blühten, nahm er kurz die Axt,
Und fällte vorderhand den einen hier,
Den jüngsten, von neun Jahren, der im Sarg.
     
    Jeronimus.
Nun das erzähl, wie ist das zugegangen?
     
    Kirchenvogt.
Herr, ich erzähls dir ja. Denk dir, du seist
Graf Rupert, unser Herr, und gingst an einem Abend
Spazieren, weit von Rossitz, ins Gebirg;
Nun denke dir, du fändest plötzlich dort
Dein Kind, erschlagen, neben ihm zwei Männer
Mit blutgen Messern, Männer, sag ich dir
Aus Warwand. Wütend zögst du drauf das Schwert
Und machtst sie beide nieder.
     
    Jeronimus. Tat Rupert das?
     
    Kirchenvogt.
Der eine, Herr, blieb noch am Leben, und
Der hats gestanden.
     
    Jeronimus.      Gestanden?
     
    Kirchenvogt.
Ja, Herr, er hats rein h’raus gestanden.
     
    Jeronimus.     Was
Hat er gestanden?
     
    Kirchenvogt.      Daß sein Herr Sylvester
Zum Morde ihn gedungen und bezahlt.
     
    Jeronimus.
Hast dus gehört? Aus seinem Munde?
     
    Kirchenvogt.    Herr,
Ich habs gehört aus seinem Munde, und die ganze
Gemeinde.
     
    Jeronimus.   Höllisch ists! – Erzähls genau.
Sprich, wie gestand ers?
     
    Kirchenvogt.      Auf der Folter.
     
    Jeronimus.     Auf
Der Folter? Sag mir seine Worte.
     
    Kirchenvogt.    Herr,
Die hab ich nicht genau gehöret, außer eins.
Denn ein Getümmel war auf unserm Markte,
Wo er gefoltert ward, daß man sein Brüllen
Kaum hören konnte.
     
    Jeronimus.       Außer eins, sprachst du;
Nenn mir das eine Wort, das du gehört.
     
    Kirchenvogt.
Das eine Wort, Herr, war: Sylvester.
     
    Jeronimus.
Sylvester! – – Nun, und was wars weiter?
     
    Kirchenvogt.
Herr, weiter war es nichts. Denn bald darauf
Als ers gestanden hatt, verblich er.
     
    Jeronimus.    So?
Und weiter weißt du nichts?
     
    Kirchenvogt. Herr, nichts.
     
    (Jeronimus bleibt in Gedanken stehn.)
     
    Ein Diener (tritt auf).    War nicht
Graf Rupert hier?
     
    Jeronimus.     Suchst du ihn? Ich geh mit dir.
     
    (Alle ab. Ottokar und Johann treten von der andern Seite auf)
     
    Ottokar.
Wie kamst du denn zu diesem Schleier? Er
Ists, ists wahrhaftig – Sprich – Und so in Tränen?
Warum denn so in Tränen? So erhitzt?
Hat dich die Mutter Gottes so begeistert,
Vor der du knietest?
     
    Johann. Gnädger Herr – als ich
Vorbeiging an dem Bilde, riß es mich
Gewaltsam zu sich nieder. –
     
    Ottokar.    Und der Schleier?
Wie kamst du denn zu diesem Schleier, sprich?
     
    Johann.
Ich sag dir ja, ich fand ihn.
     
    Ottokar. Wo?
     
    Johann.     Im Tale
Zum heilgen Kreuz.
     
    Ottokar.      Und kennst nicht die Person,
Die ihn verloren?
     
    Johann.      – Nein.
     
    Ottokar.   Gut. Es tut nichts;
Ist einerlei. – Und weil er dir nichts nützet,
Nimm diesen Ring, und laß den Schleier mir.
     
    Johann.
Den Schleier –? Gnädger Herr, was denkst du? Soll
Ich das Gefundene an dich verhandeln?
     
    Ottokar.
Nun, wie du willst. Ich war dir immer gut,
Und wills dir schon so lohnen, wie
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