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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge
Autoren: B Jones
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Doppelhaushälfte am billigeren Ende von Roath, dort wo es ins studentenfreundliche Cathays übergeht, unser früheres Viertel. Kein Vergleich natürlich mit den riesigen viktorianischen Villen am Ufer des weitläufigen Sees von Roath Park mit seinen schmiedeeisernen Geländern, seinem weißen Leuchtturm und dem hölzernen Teepavillon. In dem Teil von Roath, in dem Mike und Cora wohnten, sind die Häuser und Gärten klein und quadratisch und die Dächer und Fenster modern; hier hat man zwar keinen nennenswerten Ausblick, dafür aber auch kaum herumliegenden Abfall, und die Autos werden regelmäßig gewaschen.
    Das Interieur hatte sich unter Coras Händen in wohnlichen, zeitschriftentauglichen Vorstadtschick verwandelt und war meiner winzigen Erdgeschosswohnung und Stevies gemütlicher, aber männlich karger Unterkunft weit überlegen. Ich war völlig perplex. Es wirkte alles so erwachsen, die Miniaturausgabe eines Schaufensters von Habitat.
    Aber mir gefielen die zartlila Wände und das große Erkerfenster, das das schwächer werdende Abendlicht in die Wohnung zu saugen schien. Geraffte rosa Gazevorhänge sorgten für luftige Intimität. Ich mochte auch die in kühlem Türkisgrün gehaltene Küche, in der Vasen mit Lilien und glatte Chromteile den Eindruck einer Art Unterwasserwelt vermittelten. Bewundernd betrachtete ich das weich aussehende, mit dicken Kissen übersäte Kingsize-Bett und wünschte mir, mich darin zusammenrollen und einschlafen zu dürfen, während das weiche Licht der Schlafzimmerbeleuchtung auf mein Gesicht rieselte.
    Die gesamte Einrichtung strahlte eine Häuslichkeit aus, die in meinen Träumen bisher noch nicht vorgekommen war. Ich stieß einen Seufzer aus, und für den Bruchteil einer Sekunde beneidete ich die beiden um die ruhige, behagliche Ordnung ihrer Umgebung. Um die Endgültigkeit darin.
    Ich stellte mir vor, wie ich mich in dem winzigen, aber makellosen Badezimmer, das direkt ans Schlafzimmer grenzte, abschminkte und mir Wasser ins Gesicht spritzte, das sich besser anfühlte als das Wasser an jedem anderen Ort. Wenige Atemzüge entfernt würde Mike ins Bett gekuschelt daliegen und eines seiner Bücher verschlingen, während seine Füße unter der Steppdecke hervorlugten.
    Etwa sechs Wochen nach ihrem Umzug hatte Stevie Geburtstag. Er war der Erste von uns, der das reife Alter von achtundzwanzig Jahren erreichte, und das musste gefeiert werden. Außerdem war es unser erster richtiger Wiedersehensabend, die perfekte Gelegenheit, mal wieder wie früher um die Häuser zu ziehen. Wir hatten also einen doppelten Grund.
    Als Stevie und ich an diesem Abend bei Cora und Mike eintrafen, sahen wir sofort, dass Cora sich mal wieder ganz besonders »Mühe gegeben« hatte. Im Wohnzimmer brannte ein Dutzend Kerzen auf dem traditionellen Kaminsims, an dem sich außerdem eine bunte Lichterkette entlangrankte. Für uns Mädchen hatte sie eine Flasche Martini gekauft und für die Jungs Flaschenbier.
    Sie war anscheinend im neuen Sainsburys Supermarkt gewesen, denn überall auf Tischen und Anrichten standen Schüsseln mit Kettle Chips und Pistazien und Käsestangen, die Mike in rauen Mengen hinunterschlang und dabei entzückt den »Yuppie-Fraß« lobte. Zur Krönung des Ganzen stand auf dem Couchtisch ein Fingerfood-Sortiment von Marks & Spencer. Ich schaute zu Stevie hinüber und rollte mit den Augen, woraufhin er zurückgrinste, den Mund voller Miniwürstchen.
    Vor Nostalgie überfließend schob Mike Greatest Hits der Neunziger, Volume soundsoviel ein und drehte die Lautstärke der schnittigen silbergrauen Stereoanlage zwischen den wankenden CD -Türmen auf.
    Irgendwann lockten uns die einladend herüberwehenden Düfte von getrockneten Tomaten und zerlaufenem Käse in die Küche, wo wir ungeduldig darauf warteten, dass Coras selbstgebackene Pizzen endlich fertig waren. Sie genoss ihre Rolle als Gastgeberin sichtlich, und wir ließen uns nur zu gerne verwöhnen. Ich versprühte unermüdlich Fröhlichkeit, auch wenn mir alles ein wenig zu fernsehkochmäßig vorkam und Cora unaufhörlich davon schwafelte, wo sie ihr edles neues Sofa gekauft hatte, wie schwierig es sei, eine vernünftige Hypothek zu bekommen, geschweige denn einen anständigen Bodenbelag, und alle möglichen anderen Dinge, die mich nicht interessierten.
    Bald fielen uns aber hundert gemeinsame Erinnerungen wieder ein, mit denen wir uns gegenseitig aufziehen konnten – darunter auch ein oder zwei, die wir lieber vergessen hätten.
    In
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