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Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen

Titel: Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
Autoren: Berte Bratt
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in einem Jahr an und endete im nächsten Jahr!
    Ich freute mich so schrecklich darauf, Heiko sein Weihnachtsgeschenk zu überreichen. Er mußte schön warten bis Silvester, denn es war zu spät, es nach Hamburg zu schicken. Erst heut mittag hatte ich das kleine Etui vom Goldschmied bekommen.
    Ich hatte es Beatemuttis Großreinemachen zu verdanken, daß ich zu diesem Geschenk kam.
    Zu ihrem Saubermachen gehört auch ein Generalaufräumen. Vor etwa vierzehn Tagen hatte sie eines Abends Vati eine kleine Schachtel überreicht und ihn gefragt, ob all das Zeug nun unbedingt zwischen seinen Krawatten und Taschentüchern liegen müsse. Dann fing Papa an, sich die Sachen anzusehen. Es war allerlei Kleinkram, was sich so im Laufe der Jahre ansammelt.
    „Was ist das da, Papa?“ fragte mein immer neugieriger Bruder Stefan.
    „Zeig her - ach das - , das hatte ich ganz vergessen. Das ist eine alte Berlocke von meinem Großvater.“
    „Was ist Berlocke?“ wollte Stefan wissen.
    „Ach, so ein kleines Anhängselchen, eine Art Schmuckstück, das man sich an die Uhrkette hängte. Damals gab es keine Armbanduhren, weißt du. Man trug die Uhr in der Tasche, und sie war mit einer Kette in einem Westenknopfloch befestigt. Und diese Kette verzierte man dann mit solchen Sachen.“
    Ich sah mir die Berlocke an. Sie war aus Gold, kein Zweifel, mit einem ovalen, dunkelroten Stein, so dunkel, daß er beinahe schwarz wirkte.
    „Du, der ist hübsch - ist das - ja, was ist das eigentlich?“
    „Ich glaube, ein Karneol“, meinte Papa. „Guck, das Ding ist auch zum Aufmachen, vielleicht hat euer Urgroßvater ein Löckchen von Urgroßmutter drin gehabt!“
    „Das muß ein winziges Löckchen gewesen sein“, sagte Beatemutti. „Das ganze Ding ist ja klitzeklein.“
    „Papa“, sagte ich. „Was machst du mit der Berlocke?“
    „Keine Ahnung. Wegschmeißen kann man sie ja nicht, aber ich möchte mir auch keine Uhrkette zulegen.“
    „Wenn jemand in deiner Familie das Ding wahnsinnig gern haben möchte, würdest du es dann verschenken, Paps?“ fragte ich. Papa schmunzelte.
    „Dieser Jemand’, sollte das vielleicht meine älteste Tochter sein?“
    „Ach Paps, du verstehst aber auch alles!“
    „Glaubst du denn, daß Heiko eine Uhrkette besitzt?“
    „Nein, aber er besitzt Finger. Zehn Stück. Einer davon könnte einen Ring mit einem Karneol tragen.“
    „Wäre es nicht schade, dieses hübsche Ding auseinanderzunehmen?“
    „Will ich doch nicht! Wie Beatemutti sagt, es ist ja so klitzeklein, ich könnte alles, so wie es ist, an einen Ring löten lassen -“
    „Und eine Haarlocke reinlegen“, sagte Papa. „Gut, du kannst sie haben, bitte schön. Aber Heiko soll sie eurem ältesten Sohn vermachen.“
    „Ich werde es ihm sagen. Tausend, tausend Dank, Papa, du bist ein Engel!“
    „Papa ist kein Engel“, äußerte sich Stefan. „Papa ist ein Haifisch.“
    „ Was bin ich?“
    „Ein Haifisch. Es steht in einem Buch. Soll ich es dir mal zeigen?“
    „Ja, das mußt du wirklich tun.“
    Stefan verschwand, Papa schüttelte lächelnd den Kopf.
    „Ich sag’s ja, wenn man Kinder hat, muß man sich immer auf Überraschungen gefaßt machen. - Na, zeig her!“
    Stefan war zurückgekommen, und zwar aus meinem Zimmer. Denn in der Hand hielt er meinen ersten Suaheli-Sprachführer, der zur Zeit meine Brüder mehr interessierte als mich. Ich hatte ja inzwischen ausführlichere Lehrbücher in Suaheli bekommen.
    „Da!“ zeigte Stefan mit einem - nicht einwandfrei sauberen -Finger.
    Tatsächlich, da stand es unter „Meerestiere und Fische“: „Haifisch - papa.“
    Unser Haifisch blieb sitzen mit dem Buch in der Hand.
    „Sonnie, verstehst du wirklich etwas von diesem Zeug?“
    „O ja, ein bißchen.“
    „Ich fange an, Respekt vor dir zu kriegen.“
    „Das ist auch an der Zeit!“
    Papa machte das Buch mit einem Seufzer zu.
    „Wenn ich mal nach Afrika kommen sollte, müßte ich mich ausschließlich von Kakao und Pudding ernähren“ sagte er. „Denn Kakao heißt Kakao und Pudding pudingi.“
    „Du könntest ja auch papa essen“ lachte Stefan und nahm das Buch. Anscheinend hatte er vor, sich in Suaheli weiterzubilden.
    Ich hatte die Berlocke an Mamas Trauring, den ich als älteste Tochter geerbt hatte, anlöten lassen. Die winzigkleine Kapsel war noch leer. Aber etwas sollte da reinkommen. Heiko würde gleich wissen, was das war. Denn unser schönster Augenblick, unsere liebste Erinnerung war ihm bestimmt so nahe und so unsagbar teuer,
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