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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem
Autoren: William Ryan
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nicht so viel Blut. Wer kommt vom Institut?«
    »Die Tschestnowa.« Popow widmete sich wieder seiner Pfeife. »Haben Sie die Male bemerkt?« Er deutete auf den Unterleib des Mädchens. Die verkohlten Flecken waren tatsächlich ungewöhnlich, und an den Brüsten waren noch mehr.
    »Elektrizität, meinen Sie? Auf jeden Fall wurde sie gefoltert. Dr. Tschestnowa kann uns vielleicht mehr über den Ablauf des Geschehens sagen. Wenn er ihr zuerst die Zunge herausgeschnitten hat, dann hat er es zum Vergnügen getan und nicht, um Informationen zu erhalten. Ein ganz übler Bursche, Genosse General.«
    Die Knöchel seiner um die Pfeife gekrallten Faust traten weiß hervor, als sich Popow erneut der verstümmelten Leiche zuwandte. Ein grimmiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Hören Sie mir jetzt gut zu. Sie ruhen nicht eher, als bis Sie diesen Teufel gefasst haben, haben Sie verstanden? Und wenn Sie für dieses Omelett unterwegs ein paar faule Eier zerbrechen müssen, soll es uns nur recht sein. Sie haben vollkommen freie Hand. Ich stelle Semjonow für Sie ab, er kann Botengänge ausführen und nebenher vielleicht ein, zwei Dinge lernen, er ist ja nicht dumm. Aber finden Sie den Mörder, Alexei. Und wenn Sie ihn haben, dann bringen Sie ihn mir.«
     

3
    Nachdem er wieder an seinen Schreibtisch in der Petrowka-Straße zurückgekehrt war, rief Koroljow sofort Gregorin in der Lubjanka an. Er wollte den Stabsoberst um eine Verlegung der Vorlesung bitten, wurde aber sofort unterbrochen.
    »Genosse, wie ich höre, leiten Sie die Ermittlungen in dem Mordfall in der Rasin-Straße.«
    »Ja, Genosse Oberst.« Koroljow fragte sich, wie Gregorin so schnell von dem Verbrechen erfahren hatte.
    »Ein Kollege hat mir soeben davon berichtet. Wirklich schockierend. Ich bin froh, dass Genosse Popow Sie mit der Untersuchung beauftragt hat. Das klingt ja fast, als wäre ein Wahnsinniger in unserer Hauptstadt am Werk. Wenn wir von der Staatssicherheit irgendwie behilflich sein können, lassen Sie es mich bitte sofort wissen.«
    »Vielen Dank, Oberst Gregorin. Tatsächlich wollte ich Sie fragen, ob ich die morgige Vorlesung nicht verschieben kann. Vielleicht um ein oder zwei Tage?«
    »Ich verstehe, Genosse. Sie wollen sich auf die Suche nach dem Mörder konzentrieren, das finde ich sehr löblich. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass die Sicherheit des Staates in diesen gefährlichen Zeiten oberste Priorität besitzt. Wir sind umgeben von Feinden, von inneren und äußeren, und die jungen Genossen, zu denen Sie morgen sprechen, werden an vorderster Front gebraucht, damit wir in diesem Kampf bestehen. Genosse Popow weiß bestimmt zu würdigen, dass Ihr Vortrag unverzichtbar ist, und wird Sie auch bei einem derart wichtigen Fall für zwei Stunden entbehren können.«
    Koroljow hätte gern Einwände erhoben, aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte. »Selbstverständlich, Genosse Oberst. Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn ich mich in Anbetracht der Umstände auf eine Stunde beschränken dürfte. Wäre das vielleicht möglich?«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, und Koroljow merkte, dass er mit einem Bleistift auf den Tisch trommelte. Jasimow, der als Einziger außer ihm im Zimmer saß, blickte auf und schüttelte den Kopf. Koroljow lächelte entschuldigend und legte den Bleistift weg.
    Schließlich drang Gregorins blecherne Stimme aus dem Hörer. »Eine Stunde sollte genügen, wenn Sie sich kurz fassen, Genosse. Immerhin handelt es sich um nützliche Erkenntnisse eines Kollegen von der Miliz und nicht um eine reguläre Lehrveranstaltung. Ja, eine Stunde reicht. Also morgen früh um neun. Ich werde ebenfalls da sein.«
    »Vielen Dank, Genosse Oberst.« Koroljow merkte, dass der Bleistift schon wieder rhythmisch auf die Platte klopfte. »Es gibt auch noch eine praktische Frage, bei der mir die Staatssicherheit vielleicht weiterhelfen kann. Hat Ihr Kollege erwähnt, dass das Opfer gefoltert wurde?«
    Jasimows Kopf fuhr nach oben, und Koroljow wandte sich ab, um sich durch den erschrockenen Blick seines Kollegen nicht ablenken zu lassen.
    Gregorins Stimme klang reserviert. »Er hat gesagt, dass sie verstümmelt wurde. Gefoltert, sagen Sie? Die Ärmste, ich hoffe, Sie bringen den Mörder bald zur Strecke. Das muss wirklich ein Verrückter sein.«
    »Nun, Genosse Oberst, es war kein schöner Anblick. Wirklich nicht. Er hat sie offenbar mit einem elektrischen Instrument verbrannt. So was ist mir noch nie untergekommen. Aber
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