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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen
Autoren: Anton Dietrich
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Nachdem er sich aber wieder etwas erholt hatte, sagte er mit Menschenstimme zu Ljubim Zarewitsch: »Bringe mich nicht um, ich werde dir nützlich sein und dir dienen als dein getreuer Knecht.« Und Ljubim Zarewitsch sprach zu ihm: »Weißt du nicht, wo meine Brüder sind?« Darauf antwortete ihm der Wolf, sie seien längst ermordet; aber dann fügte er hinzu: »Wir werden sie wieder erwecken, wenn wir die schöne Prinzeß gewonnen haben.« – Und Ljubim Zarewitsch fragte: »Wie sollen wir die schöne Prinzeß gewinnen?« – »Nun sieh,« sagte der Wolf zu ihm, »wir erhalten sie so: du lässest dein Roß hier« – »Wie soll ich ohne Roß sein?« fragte ihn Ljubim Zarewitsch. »Nun sieh, hör' mich nur aus,« sprach der Wolf: »ich werde zum Rosse und trage dich; aber dieses dein Roß taugt nicht zum Dienste, weil bei dieser schönen Prinzeß von den Stadtmauern Saiten nach allen Glocken in der Stadt gezogen sind, und deßhalb ist es auch nöthig, daß wir sie überspringen, damit keine, auch nicht die kleinste Saite berührt wird, sonst werden wir gefangen.« – Ljubim Zarewitsch sah ein, daß der Wolf recht sprach, gab seine Einwilligung und sagte: »Wolan!«
    Und so gelangten sie an die weißsteinerne Mauer und Ljubim Zarewitsch erschrak, als er sie erblickte. »Wie ist's möglich, diese hohe weißsteinerne Mauer zu überspringen?« sprach er zum Wolfe. Darauf sagte der Wolf folgende Worte: »jetzt fällt es mir noch nicht schwer, sie zu überspringen, aber von dort aus wird es Mühe machen, denn du wirst dich mit Liebesangelegenheiten beschäftigen und dadurch schwer werden; aber es ist dir nöthig, dich in lebendigem Wasser zu baden und auch für deine Brüder etwas davon mit dir zu nehmen, und ebenfalls todtes.«
    Darauf übersprangen sie glücklich die Stadtmauer, ohne sie zu berühren. Ljubim Zarewitsch machte im Schlosse Halt und ging zur schönen Prinzeß an den Hof. Und als er in das erste Gemach kam, fand er eine Menge schlafende Kammermädchen und dachte, ob die Prinzeß nicht dort sei; allein er fand sie nicht. Deßhalb ging er in's zweite Zimmer, dort schliefen ihre überaus schönen Gesellschafterinnen; auch da war die Prinzeß nicht. Darum ging Ljubim Zarewitsch in's dritte, und dort sah er die Prinzeß schlafen, und sein ganzes Herz wurde von ihrer Schönheit entflammt; er verliebte sich heftig in die schöne Prinzeß und fing an, sie zu küssen und wollte sich nicht trennen von ihr; allein er bedachte, daß man ihn fangen würde, wenn er verweilte, und ging in den Garten, um todtes und lebendiges Wasser zu holen. Er badete sich in dem lebendigen Wasser und nahm in einer Blase lebendiges und todtes Wasser mit sich und ging zu seinem Wolfe. Als er auf dem Wolfrosse saß, sagte der Wolf zu ihm: »Du bist sehr schwer geworden. Wir können nicht, wie das vorige Mal über die Mauer springen, wir stoßen an und wecken alle auf. Sie werden uns verfolgen, aber du wirst sie erschlagen, und wenn du sie erschlagen hast, so gib dir Mühe, ein weißes Roß zu fangen: ich helfe dir dann kämpfen, und sobald wir an unser Zelt kommen, so nimm dein Roß, ich aber reite auf diesem weißen Rosse, und wenn wir alle ihre Krieger getötet haben, so wird sie selbst zu dir kommen und sagen, du möchtest sie zur Frau nehmen, denn sie wird von heftiger herzlicher Liebe zu dir entbrennen und von dir gefesselt werden.«
    Als sie über die hohe Mauer setzen wollten, berührten sie die Saiten und plözlich erhob sich Glockenklang in der Stadt und Trommelschlag, und alle Menschen erhoben sich und jeder lief auf den Hof mit seinen Waffen; andere öffneten den Thorweg, damit der schönen Prinzeß kein Unglück widerfahre. Die Prinzeß selbst erwachte und sah, daß ein Jüngling bei ihr zu Besuch gewesen, und sie befahl, sogleich Lärm zu machen, damit sich Alles bei ihr im Pallaste versammelte. Da kamen berühmte und starke Ritter zusammen, und sie sprach zu ihnen: »Ach! ihr starken Ritter, gehet und holet diesen Jüngling ein und bringt mir seinen Kopf, damit seine Verwegenheit bestraft werde.«
    Darauf antworteten ihr die starken Ritter: »Wir werden nicht ruhen, bis wir ihn zerhauen und dir seinen Kopf gebracht haben, wenn er auch ein Heer bei sich hätte.« Darauf entließ sie die Prinzeß und ging hinauf in's Erkerzimmer und sah nach ihrem Heere und nach jenem Ritter, welcher gewagt hatte, im Geheimen an ihren Hof zu gehen und sie im Schlafe zu liebkosen.
    Als Lärm gemacht wurde, war Ljubim Zarewitsch auf seinem
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