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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
Autoren: Tex Rubinowitz
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Literaturgroßwesir der Altpapierattacke DIE ZEIT, ein Mann, der sein Handwerk versteht wie kein Zweiter und keine Gefangenen macht. Man muss ihn nicht kennen, um seinem Urteil zu vertrauen, zwei Meter groß, oben diese weiße Haarsäule, sie verleiht ihm etwas von einem Papst, aber nicht einem dieser weinerlichen aktuellen, sondern einem jener Monster, die Francis Bacon so gerne gemalt hat. Auch umweht ihn die Aura eines Grafen aus dem Zwischenreich, der schon 450 Jahre auf diesem Erdenrund wandelt und nicht zur Ruhe kommen kann. Bevor Schulze zu lesen anfängt, grauenvoll leiernd, wie erwartet (warum können Schriftsteller eigentlich nicht vortragen? Warum versuchen sie immer in alles diese verdammte Bedeutung zu buttern, was soll dieser hilflose Versuch, Schauspieler zu imitieren, diese theatralische Leidensstimme, wie das Klagemantra einer alten Muhme), interviewt ihn Winkels noch eine gute zähe Stunde. Es ist, als versuche er ihn vom Lesen abzuhalten. Die Nässe kriecht derweil sichtbar in die Buchhandlung, wie in dem Film «The Fog, Nebel des Grauens». Feuchtigkeit ist ja nicht gerade der Aggregatzustand, den Bücher am liebsten haben, und zu allem Überfluss wird im Laden auch noch geraucht (in Portugal ist das Trotzrauchen noch weit verbreitet; dafür darf man in den eigenen vier Wänden nicht rauchen, wenn die Putzfrau gerade da und Nichtraucherin ist, es gibt einen eigenen Schutzparagraphen dafür, eine Alibifarce, von denen das Rechtssystem hier strotzt). Ich vermute, hier wird geraucht als Maßnahme, um den Raum trockenzulegen, mich wundert gar nichts mehr. Gebrannt hätte hier sowieso nichts, geschwelt allenfalls, Kafka hätte mit Sicherheit gelacht, wenn er versehentlich nicht gestorben wäre und Brod ihm hätte gestehen müssen: «Sie brannten nicht, sie glommen nur.» Anwesend waren mit mir zehn Zuhörer, acht davon Angestellte des hiesigen Goethe-Instituts und ein alter Portugiese, der aber schlief. Zählt ein schlafender Gast noch als Gast? Das Institut hat gerade großzügig eine Schulze-Übersetzung finanziert, und jetzt diese kleine Tour durch Portugal, ich frage mich, wer das hier lesen soll, im Buch geht’s um Mausefallen in der DDR. Im Anschluss kommt es zu einer Diskussion, in der Winkels Schulze fragt, ob die Ägypter die Ossis von heute seien. Er vergleicht den Tahrirplatz in Kairo, wo man die ersten freien Wahlen nach 5000 Jahren herbeisaß, mit den schlurfenden Montagsdemonstrationen der Hängeschultrigen in Leipzig. Schulze schmunzelt jovial, so als suhle er sich in den aufbrandenden Gefühlen desjenigen, dessen Erfindung nach zwanzig Jahren endlich exportfähig geworden ist. Seine Haare ringeln sich noch ein bisschen mehr, sei es vor Stolz, sei es wegen der Feuchtigkeit hier drinnen. Am Ende sagt er den aasigen Satz: «Mich interessiert eine Geschichte nicht, solange ich nicht weiß, wie der Autor lebt.» Auf meine Frage, warum er denn in seinen Texten hartnäckig das Wort Plaste verwende, ob das eine identitätsstiftende Distinktionsschrulle, ob er im Westen noch nicht richtig angekommen sei, kontert er keck, Plaste sei richtig , Plastik für Kunststoff falsch, weil eine Plastik eine Skulptur sei, ob ich das nicht wisse. Sein talgiges Gesicht glänzt vor Erregung hämisch. Ertappt schweige ich. Ich kam hierher, um zu genesen oder zu verenden, was necke ich den Ostmann jetzt? Es scheint mir wieder etwas besser zu gehen, das Zänkische, der Widerborst ist zurückgekehrt, die Demut gewichen. Wir trinken, als Abschluss dieser Scharade, noch die letzten Reste des klebrigen Weins, die in einem Geheimversteck hinter Dostojewskis «Brüdern Karamasow» («Os Irmãos Karamazov») gebunkert sind, Schulze zerrt Winkels aus der nassen Buchhandlung, morgen müssen sie das gleiche Programm in Lissabon abwickeln. Als sie das Geschäft verlassen, sehen sie aus wie Don Quixote (Winkels) und Sancho Pansa (Schulze), nur ohne Esel. Auch ich wanke heim, die Kleidung klebt am Körper, nasse Nikotinschwaden, im Textil gebunden, machen einem die Garderobe schwer wie einen Kohlensack. Ich arbeite mich auf meinen Berg, ins Miradouro, am höchsten Punkt der Stadt errichtet, neben ein paar brutalistischen Wasserreservoirs (vermutlich voll mit brackigem Wasser), echte Kunstwerke, Reservoirs wie Hochhaus, eins, das auch in Smolensk stehen könnte, herrlich verzierte Soz-Art, kaum vorstellbar, dass man auf die Idee kommen kann, woanders in Porto abzusteigen. Im Fernseher läuft «Dick und Doof im Wilden
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