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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft
Autoren: Agatha Christie
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warum hatten Leute wie Mrs Hengrave nur so eine Vorliebe für senfgelbe Wände?
    Sie gingen den Korridor entlang und zur Treppe z u rück. »Sechs Schlafzimmer«, murmelte Gwenda vor sich hin, »nein, sieben, wenn man das mit dem Erker mi t zählt.«
    Einige Dielen knarrten leise unter ihren Schritten. Schon war ihr zu Mute, als gehöre sie hierher und nicht Mrs Hengrave. Die war ein Eindringling – eine Frau, die Zimmer senfgleich streichen ließ und den Glyzinienfries im Salon sicher sehr schön fand! Gwenda sah verstohlen auf den getippten Merkzettel in ihrer Hand, auf dem auch der Schätzpreis des Grundstücks angegeben war.
    Innerhalb weniger Tage hatte sie sich mit Häuserpreisen so vertraut gemacht, dass sie die verlangte Summe richtig beurteilen konnte. Sie war nicht hoch, selbst wenn sie die notwendigen Modernisierungskosten dazurechnete.
    Obendrein stand neben dem Preis »Verhandlungsbasis«, sie konnte also noch etwas herunterhandeln. Mrs Hengrave musste außerordentlich erpicht darauf sein, nach Kent zu ihren Verwandten zurückzukehren.
    Sie schickten sich eben an, die Treppe hinabzusteigen, als Gwenda sich von einer plötzlichen Woge irrationalen Grauens überflutet fühlte. Es war schwindelerregend, schwand aber fast so rasch, wie es gekommen war. De n noch blieb ein ganz abwegiger Gedanke haften.
    »Sagen Sie – spukt es in diesem Haus?«, fragte sie u n willkürlich.
    Mrs Hengrave, die schon ein paar Stufen tiefer war und gerade Major Hengraves Agonie schilderte, drehte sich um und sah verletzt zu Gwenda auf.
    »Nicht dass ich wüsste, Mrs Reed. Warum? Hat irgen d jemand so etwas behauptet?«
    »Sie haben nie etwas gemerkt oder gesehen? Ist denn in diesem Haus nie jemand gestorben?«
    Wie dumm und taktlos von mir, dachte sie einen S e kundenbruchteil zu spät, vermutlich ist ja Major Hengr a ve hier…
    »Mein Mann ist im ›Saint-Monica-Krankenhaus‹ ve r schieden«, sagte Mrs Hengrave steif.
    »Ja, richtig, Sie haben es mir schon erzählt.«
    »In einem Haus, das etwa 100 Jahre alt ist«, fuhr Mrs Hengrave merklich beleidigt fort, »dürften im Laufe der Zeit normalerweise mehrere Personen gestorben sein. Ich weiß da nicht Bescheid. Miss Elworth, von der mein li e ber Mann dieses Haus vor sieben Jahren erwarb, befand sich bei bester Gesundheit und beabsichtigte, als Missi o narin ins Ausland zu gehen. Auch sie hat keine Todesfälle in ihrer Familie erwähnt.«
    Gwenda beeilte sich, die melancholische Witwe zu b e sänftigen, und sie kehrten in den geräumigen Salon im Erdgeschoss zurück. Dieser Raum hatte die friedliche, anheimelnde Atmosphäre, die ganz nach Gwendas Sinn war. Hier verstand sie den kurzen Moment der Panik selbst nicht mehr. Was war bloß über sie gekommen? An diesem Haus war nichts Unheimliches.
    Sie bat Mrs Hengrave, ihr nun auch den Garten zu ze i gen, und ging mit ihr durch eine der Glastüren auf die Terrasse. Hier müssten ein paar Steinstufen zum Rasen hinunterführen, dachte Gwenda an einer bestimmten Stelle, wo ein Forsythienbusch unmäßig in die Höhe und Breite geschossen war und den Blick aufs Meer versper r te. Nun, das würde sie ändern.
    Die vermissten Stufen zum Rasen fanden sich am and e ren Ende der Terrasse. Gwenda bemerkte, dass der Stei n garten ungepflegt und verunkrautet war und die meisten Ziersträucher gestutzt werden mussten.
    Mrs Hengrave murmelte entschuldigend, dass alles ziemlich verwahrlost sei. Sie konnte sich nur zweimal wöchentlich einen Gärtner leisten, und meistens erschien er nicht einmal. Nach Besichtigung des kleinen, aber au s reichenden Küchengartens gingen sie wieder ins Haus. Gwenda erklärte, sie müsse sich noch ein paar andere Objekte ansehen, ehe sie sich entscheiden könne, obwohl ihr »Hillside« – was für ein nichts sagender Name! – sehr gefiele. Mrs Hengrave ließ diesen Vorbehalt gelten und trennte sich von Gwenda mit vergrämtem Blick und e i nem letzten hoffnungslosen Schnüffeln.
    Gwenda kehrte zum Maklerbüro zurück, machte ein festes Angebot und verbrachte den Rest des Vormittags mit einem Spaziergang durch Dillmouth. Es war ein hü b sches, altmodisches Küstenstädtchen. Am entgegeng e setzten modernen Ende standen ein paar neuere Hotels und Bungalowrohbauten; eine weitere Ausdehnung wu r de durch die Art der Küste und das hügelig ansteigende Hinterland eingeschränkt.
    Nach dem Mittagessen erfuhr Gwenda telefonisch vom Makler, Mrs Hengrave habe ihr Angebot angenommen. Mit einem Lächeln auf den Lippen
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