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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft
Autoren: Agatha Christie
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das Gegenteil behauptete. Ihr Vater, Gwenda, akzeptierte Kennedys Theorie wohl vor allem Ihretw e gen. Er glaubte also, dass er Helen getötet hatte. Und in dem Glauben ist er gestorben. Mit dieser infamen Idee hatte Kennedy außerdem den einzigen Menschen, der wirklich nach Helen gesucht hätte, erledigt.«
    »Teuflisch«, stammelte Gwenda tonlos, und immer wieder nur: »Wie teuflisch und gemein!«
    »Ja, es gibt kaum treffendere Worte dafür«, sagte Miss Marple. »Und deshalb hat sich dieses frühe Erlebnis wohl auch so tief in Ihre kindliche Seele eingeprägt. An jenem Abend war das Böse im Haus.«
    »Aber die Briefe?«, fragte Giles. »Helens Briefe? Es war ihre Handschrift, es konnte keine Fälschung sein!«
    »Natürlich waren sie gefälscht! Doch in diesem Punkt grub Kennedy sich sein eigenes Grab. Es lag ihm nämlich sehr viel daran, dass Sie und Gwenda mit Ihren Nachfo r schungen aufhörten. Wahrscheinlich konnte er Helens Schrift sogar ganz ordentlich nachmachen, obwohl er einen Fachmann bestimmt nicht getäuscht hätte. Deshalb war auch das Schriftmuster, das er zusammen mit dem Brief brachte, falsch. Er schrieb beides selbst. Kein Wu n der, dass sie übereinstimmten.«
    »Mein Gott!«, sagte Giles. »An so was hätte ich nie g e dacht!«
    »Eben! Weil Sie einfach für wahr hielten, was er sagte. Es ist wirklich gefährlich, den Leuten zu glauben. Ich persönlich habe es viele Jahre lang nicht getan.«
    »Und was war mit dem Brandy?«
    »Den vergiftete er an dem Vormittag, als er Helens Brief brachte und sich mit mir im Garten unterhielt. Mrs Cocker hatte ihn nur ein paar Augenblicke allein gelassen, um mir seinen Besuch zu melden. Das genügte ihm.«
    »Unfassbar!«, sagte Giles. »Er hat mir noch freundlich geraten, Gwenda einen Brandy zu geben, als wir auf dem Polizeirevier gewesen waren, wegen der toten Lily Kimble. Wie hat er es eigentlich fertiggebracht, sie vorher zu treffen?«
    »Das war ganz einfach. In seinem ursprünglichen Brief schrieb er ihr nämlich, sie solle ihn in Woodleigh Camp treffen und mit dem Zwei-Uhr-fünf-Zug von Dillmouth Junction abfahren. So konnte er ihr am Waldrand aufla u ern und sie umbringen. Dann tauschte er einfach den Brief, den Sie auf der Wache gesehen haben, gegen den in ihrer Tasche aus – er hatte ihr geraten, ihn wegen der komplizierten Wegbeschreibung lieber bei sich zu haben –, und danach spielte er Ihnen zuhause die armselige Komödie vor, dass er auf Mrs Kimble warte.«
    »War Lily denn wirklich eine Bedrohung für ihn? Ihr Brief klang doch eher, als hätte sie Afflick im Verdacht!«
    »Vielleicht. Aber Leonie, das Schweizer Kindermä d chen, hatte Lily Kimble etwas erzählt, und Leonie war die einzige wirkliche Gefahr für Kennedy. Denn sie blickte aus dem Fenster des Kinderzimmers und beobachtete, wie er das Grab grub. Am Morgen nahm er sie sich vor und erklärte ihr rundheraus, Major Halliday habe seine Frau ermordet, Halliday sei wahnsinnig, und er, Kennedy, vertusche die Sache um des Kindes willen. Wenn Leonie es allerdings für ihre Pflicht halte, zur Polizei zu gehen, so möge sie es tun, aber die Folgen würden für sie recht unerfreulich sein – und so weiter.
    Leonie geriet bei der Erwähnung der Polizei in Panik. Sie liebte die kleine Gwennie und hatte volles Vertrauen zu allem was Monsieur le docteur sagte. Kennedy zahlte ihr eine hübsche kleine Summe und schob sie in die Schweiz ab. Doch vor ihrer Abreise deutete sie Lily irgendwie an, dass Ihr Vater seine Frau getötet und sie beobachtet h a be, wie man die Tote begrub. Es passte zu dem, was Lily damals dachte. Sie war überzeugt, dass es Halliday gew e sen war, den Leonie gesehen hatte.«
    »Aber Kennedy wusste das natürlich nicht«, sagte Giles.
    »Natürlich nicht. Was ihn an Lily Kimbles Brief e r schreckte, waren ihre Bemerkungen über Leonies Be o bachtungen und den Wagen.«
    »Einen Wagen? Jack Afflicks Wagen?«
    »Noch ein Missverständnis. Lilys lebhafte Fantasie hatte sich nun einmal auf einen großen Unbekannten mit e i nem schicken Wagen versteift, der Mrs Halliday besuchte. Nun dürfte vor dem Krankenhaus nebenan täglich eine Menge Wagen geparkt haben. Das Auto des Doktors natürlich auch – und er war überzeugt, Lily spiele auf dieses an. Das Beiwort ›schick‹ war für ihn bedeutung s los.«
    »Nun begreife ich«, sagte Giles. »Ja, wenn man ein schlechtes Gewissen hat, könnte man Mrs Kimbles Brief als Erpressungsversuch deuten. Aber wieso wissen Sie über Leonie so
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