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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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Herde auf ihrem Rücken und umschlang ihren Nacken mit den Armen. Sie sträubte sich, schimpfte und suchte den Alp los zu werden, die Kinder tobten, sie schlug.
    Eine charmante Erziehungsscene, dachte die Geheimräthin und unwillkürlich entschlüpfte es ihren Lippen: »Es wäre eigentlich nicht so übel, wenn der liebe Gott die Kinder zu sich nähme!«
    »Warum den inkommodiren!« sagte eine Stimme dicht hinter ihr. Ein Fremder, in seinen Mantel geschlungen, der vom Regen triefte, stand auf der Stufe neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht, das Gesicht zu sehen, als er im Vorbeigehen den Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für sie in der Begegnung. Wer lässt sich gern in seinen Gedanken belauschen.
    »Wenn nur keine schädliche Substanz in dem Gefäß war,« setzte der Fremde hinzu.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Muthwille der Kinder könnte unschuldige Personen in Verdacht bringen.«
    »Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er heut Abend eine versalzene Suppe auf den Tisch bekommt,« bemerkte die Geheimräthin, die, schnell zu sich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ.
    »So treffe ich den Geheimrath zu Hause, was mir sehr angenehm ist,« entgegnete der Fremde, noch einmal den Hut anfassend, um die Treppe hinaufzusteigen.
    »Dies ist nicht der eigentliche Weg zu ihm,« konnte die Geheimräthin sich nicht enthalten zu bemerken. »Auf der Vordertreppe begegnen Sie der Bedienung, um sich melden zu lassen.«
    »Meine Botschaft kommt wohl gelegener über die Hintertreppe.«
    »Auch wenn er zu Hause wäre, zweifle ich, daß ihm überhaupt Besuch gelegen kommt, da er selbst im Begriff ist, einen zu machen.«
    »Ich weiß es,« entgegnete der Fremde, »und wenn auch nicht mein Besuch, wird ihm doch mein Rath nicht ungelegen kommen. Ich habe die Ehre, mich der Frau Geheimräthin gehorsamst zu empfehlen!«
    »Seltsam!« sprach die Geheimräthin für sich, als der Fremde mit sichern, leichten Schritten die Treppe hinaufgestiegen war. »Er kennt mich. Wer ist er? Er kommt gewiß in der Angelegenheit – was kann er aber für Rath bringen!«
    »An der Hofthür stürzte ihr ein gewaltiger Platzregen entgegen. Ihre Kutsche hielt auf der Straße vor der Hausthür. Sie überlegte, ob sie einen Versuch machen sollte, durch die wahrscheinlich schon verschlossenen Bureaus sich einen trockneren Weg nach dem großen Hausflur zu suchen, als ihr Bedienter mit einem Regenschirm ihr entgegen trat. Auf ihr Befremden darüber, da sie beim Ausfahren keinen mitgenommen, antwortete der Diener, der fremde Herr, welcher eben durchgegangen, habe ihm den seinen zurückgelassen, mit der Bemerkung, ihn für die Frau Geheimräthin zu benutzen, damit sie über den Hof in ihren Wagen könne.«
    »Kennt Er den Herrn?« fragte sie beim Einsteigen.
    »Ich habe ihn nie gesehen.«
    »Seltsam!« wiederholte die Geheimräthin nachdenkend. Nicht alle Gedanken drücken sich auf dem Spiegel des Gesichts aus, und in einer dunklen Kutsche, nur erhellt von einem ungewissen Laternenlicht, wenn der Regen gegen die Fenster schlägt, lässt sich auf diesem Spiegel noch weniger lesen. Dem Dichter ist es indeß zuweilen vergönnt, eine andere Sonde in die Brust zu senken, wie er ja auch Geister und Träume citirt, wo er der Vermittler zwischen dem Reich des Unsichtbaren und des Sichtbaren bedarf.
    Sie sann dem Fremden nach. Seine äußeren Umrisse waren ihr verwischt, nur war es ein blasses Gesicht mit scharfen, tiefliegenden Augen, dessen konnte sie sich entsinnen. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Doch es waren damals viele Fremden in Berlin; auch hatte der Ton seiner Stimme etwas Ausländisches. Aber was wollte er bei ihrem Schwager? Wirklich einen guten Rath geben? Wenn auch der Geheimrath nicht eben persönliche Feinde hatte waren doch Viele, die auf sein einträgliches Amt lauerten. Weshalb sollte sich ein Fremder gedrungen fühlen, gerade ihrem Schwager zu helfen! Aber sie vertiefte sich im Aufzählen, wer wohl ihm auf den Dienst lauern könnte, bis ein leises Gelächter aus ihren feinen Lippen brach.
    Die Geheimräthin fragte sich, woher denn ihr eigener Antheil an dem Geschick des Geheimrathes kam? – Achtete sie ihn? liebte sie ihn? Oder weil er der Bruder ihres Mannes war? Was war ihr ihr Mann? – Ein Mann, der sich in seiner Bücherstube vergrub, wo die Welt umher für ihn lachte!
    Man hätte jetzt eine Röthe sehen können über ihr
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