Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
charmanteste Frau!« flüsterten die Andern. Die Geheimräthin zankte auch nicht um die Points.
    »So aufgeräumt, Herr v. Dohleneck?« sagte sie, die Karten prämelirend, zu einem Kavallerieoffizier, der sich neben ihr etwas brüsk auf einen Stuhl warf, den ein Civilist eben für eine junge Frau hingestellt zu haben schien. Die Dame warf dem Offizier einen bösen Blick zu, den er aber nicht bemerkte, oder bemerken wollte, und der Civilist beeilte sich, ihr einen andern Stuhl hinzusetzen, den sie aber nicht annahm, sondern ins Nebenzimmer eilte. »Sie irrten sich,« sagte die Dame, »ich wollte mich gar nicht setzen, ich suchte meinen Mann.«
    Möglich, daß nur zwei Augen, vermittelst einer vorgehaltenen Lorgnette, diesen Auftritt bemerkt, der wie ein Lüftchen über den Wasserspiegel der Societät hinkräuselte, um am Ufer zu verschwinden. Aber am Ufer trieb und wühlte das Lüftchen weiter im aufgelockerten Sande.
    Der ihn bemerkte, war ein Herr etwas über die mittleren Jahre hinaus, welcher eben eingetreten war und mit der Lorgnette die Gesellschaft erst zu mustern schien, ehe er sich ihr zeigte. Wir werden ihn näher kennen lernen.
    Der sich auf den Stuhl warf, war – nur ein Abdruck von Hunderten oder von Tausenden. Das wohlgeformte, volle Modell eines Kriegsgottes, den man vielleicht hätte schön nennen können, wenn die Ueberfülle der Gesundheit und Kraft in dem beinahe sechsfüßigen Körper etwas mehr Elasticität, und das volle rothe Gesicht unter den blonden Haaren und dem blonden Stutzbart weniger Sorglosigkeit und weniger Gutmüthigkeit verrathen hätte. Er war ein Mann, der seinen Mann stand, aber der militärische Grimm, der auch den Mann herausfordert, welcher Miene macht, nicht stehen zu wollen, fehlte ihm.
    »'S ist um sich todt zu lachen, wenn Federfuchser über Dinge schwatzen, die nicht in ihren Büchern stehn.«
    »Besser todt lachen, als todt ärgern, lieber Rittmeister!« bemerkte die Geheimräthin. »Was hat Sie denn in die Rage gebracht?«
    Der Offizier kam aus der politisirenden Ecke.
    »Stellen Sie sich vor, schöne Frau, der Professor da, oder was er ist, Sie kennen ihn ja wohl« – er zeigte auf den jungen Mann von vorhin, jedoch mehr durch ein Augenblinzeln, indem er sich den Schnurrbart strich – »der junge Herr meint, wenn's mit den Franzosen los geht, wäre es doch sehr zweifelhaft, wer Sieger bleibt.«
    Man blickte verwundert und halb erschrocken auf den Redner oder auf die glücklicherweise entfernte Gestalt des Mannes in Rede.
    »Na, auf Ehre, 's ist wahr,« setzte der Offizier hinzu. »Er raisonnirt von Bonaparte's Genie als Feldherr; nun, das mag er haben, wir lassen's ihm. Und 's wäre auch zweifelhaft, ob selbst Friedrichs Genie im Stande wäre, ihm überall zu pariren, wie er Daun und Laudon gethan. Nu, darüber kann man nur lachen. Aber als ich ihn fragte, was er denn zu unserer Armee meinte, wissen Sie, was er sagte –«
    »Es ist mir etwas ganz Neues, daß Herr van Asten sich mit Politik beschäftigt.«
    »Ich dachte, er würde nach der Rheincampagne retiriren, da hätte ich ihm mit 'ner Antwort gedient. Nein, er sagte, hören Sie, ich hab's des Spaßes wegen behalten: uns stehe ein Heer gegenüber, das aus dem jugendlichen Volksbewusstsein stets neue Kräfte schöpft, wie der heidnische Riese, ich weiß nicht, wie der Kerl heißt, der zu jedem neuen Kampfe seine Mutter Erde küsste. Ob wir denn mit unsern geschlossenen Phalangen von altem Ruhme, aber ohne den Genius, der ewig zeugt, uns getrauten eine Kraft zu werfen, die ewig neu wächst? Ich sage Ihnen, es war zum Bersten. Gut, daß keiner meiner Kameraden es gehört. Ich sagte ihm nur: Mein lieber Herr, wer die Erde küsst, macht sich das Maul schmutzig, und hol' mich Der und Jener, wenn wir unseren Soldaten nicht die Propreté eingefuchtelt haben.«
    Der Verlegenheit, über die Rede zu lächeln oder sich zu äußern, wurden die Zuhörer durch den Wirth überhoben, der plötzlich mit einer Stimme, die eher auf die Kanzel als an den Whisttisch gehörte, laut sprach:
    »Aber, meine verehrte Herren und Damen, Gott sei Dank, daß wir der Beantwortung dieser Frage durch die Weisheit unserer Staatsmänner überhoben sind, welche es nicht dahin kommen lassen werden, daß der Degen des großen Friedrich aus der Gruft geholt wird, um mit dem Degen des großen Mannes sich zu kreuzen, und die es nicht dulden werden, daß die beiden ruhmwürdigen und erleuchteten Nationen in andern Streit gerathen, als den, aus welchem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher