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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels
Autoren: Sabine Kuegler
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einander und tanzten vor Freude. Nur die Frauen und die wenigen Jäger, die gegen dieses Abschlachten gewesen waren, beteiligten sich nicht am Jubel.
    Die Jäger hoben den toten Kuskuse-König auf und schleppten ihn langsam in Richtung Höhlenausgang. Hinter ihnen hörten sie noch die Schreie der Tausenden kleinen Kuskuse, die um ihren König trauerten. Sie waren fast am Ausgang angelangt, als sie plötzlich ein lauter werdendes Dröhnen vernahmen, fast wie rollender Donner. Das Dröhnen kam näher und näher. Zuerst ignorierten sie es, doch bald wurde es so laut, dass sie innehielten. Panik begann sich zu verbreiten, und sie fingen an, durcheinander zu laufen, ließen ihre Beute liegen und versuchten verzweifelt, den Ausgang der Höhle zu erreichen. Doch es war zu spät. Denn der Ausgang verschloss sich mit einem so lauten Donnerschlag, dass alle zu Boden fielen.
    Als wieder Ruhe eingekehrt war, schauten sie hoch, und alles, was vom Ausgang übrig war, war eine winzige Spalte, groß genug für das Licht, aber viel zu klein, als dass ein Mensch durch sie nach draußen hätte gelangen können. Von innen riefen sie nach ihren Stammesbrüdern und -schwestern, bettelten um Hilfe, aber es war hoffnungslos. Zuerst schrien, dann weinten die Eingeschlossenen. Sie verfluchten sich selbst und ihre Gier. Doch bald wurde ihr Weinen leiser, und sie setzten sich zwischen die getöteten Kuskuse und den König und warteten auf ihren Tod.
    Als der Abend hereinbrach, machte die zweite Gruppe draußen ein großes Feuer. Ein Trauerlied erhob sich, das vom Wind weit über das Land getragen wurde. Die ganze Nacht trauerten sie, denn alle hatten Verwandte, Mütter, Väter und Kinder verloren, die nur durch eine Steinwand von ihnen getrennt auf ihren langsamen Tod warteten.
    Die Tage vergingen, und immer wieder gingen sie zum Spalt und fragten, wer noch am Leben sei. Verwandte und Liebende verabschiedeten sich voneinander. Mit der Zeit wurden die Stimmen in der Höhle immer weniger. Und dann kam der Tag, an dem sich der letzte Überlebende in der Höhle zur Spalte schleppte und darum bat, noch ein letztes Mal mit dem Häuptling des Stammes sprechen zu dürfen. Er sagte dem Häuptling, er sei verantwortlich für diese Tragödie, denn seine Gier und sein Stolz hätten ihn blind gemacht. Er bat den Häuptling, ihm noch ein letztes Versprechen zu geben. Es war das Versprechen, dass nie wieder ein Kuskus getötet werden sollte. Bald darauf starb auch er, und jahrelang trauerten die Überlebenden um die Eingeschlossenen.
    Das Versprechen wurde bis zum heutigen Tag gehalten, und der Stamm bekam den Namen Kuskuse-Stamm. Die Stammesangehörigen hatten etwas Wichtiges gelernt – nämlich dass die Gier, sich mehr von der Natur zu nehmen als notwendig, eine große Tragödie über die Menschen bringen kann.

Nachtrag aus aktuellem Anlass
    Im Jahr 2001 bekam West-Papua von der Regierung in Jakarta den Status der »Speziellen Autonomie«. Dieser Status sollte die Antwort auf die Forderung der Papua nach Unabhängigkeit sein. Aber das Gesetz, das auf dem Papier durchaus viele Zugeständnisse an die Papua beinhaltete, wurde niemals in der geplanten Form umgesetzt.
    Der Vorsitzende der Baptistenkirche von West-Papua, Rev. Sofyan Yoman, betont, dass die Gelder zur Finanzierung der Speziellen Autonomie auch zur Finanzierung von indonesischen Militäroperationen im Hochland genutzt wurden. Erst im Januar 2007 hatten Vertreter von zwanzig Kirchen in West-Papua Alarm geschlagen, weil das indonesische Militär im Hochland ganze Dörfer niedergebrannt hatte, woraufhin 5000  Zivilisten in die Berge fliehen mussten.
    Am 27 . April 2007 kam es in Jayapura und am 1 . Mai 2007 in Manokwari zu Massenprotesten von verschiedenen Organisationen, wie etwa den Studenten der Universität Cendrawasih/Jayapura in West-Papua, die die »Spezielle Autonomie« ablehnen. Ihre Forderungen lauten:
    Die Vereinten Nationen müssen Beobachter und eine Friedensmission nach West-Papua entsenden.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen soll unverzüglich den
Act of Free Choice
erneut untersuchen und die Resolution Nr.  2504 vom 19 . November 1969 annullieren (siehe Kapitel 21 ).
Die indonesische Regierung und deren politische Eliten sollen unverzüglich aufhören, gegenüber der internationalen Gemeinschaft Lügen zu verbreiten, was die Einführung der Speziellen Autonomie für Papua betrifft. Die Spezielle Autonomie wurde niemals umgesetzt.
Die Organisatoren der Proteste
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