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Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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aus dem Irdischen erfahren hatte, obwohl sie zweifellos danach strebte. Ich wollte ihr helfen, wenn ich konnte. Damit sie mir meine frevelhafte Existenz vergab und mich in Ruhe ließ. Aber ich fürchtete mich auch vor dem, was sie tun würde, wenn ich ihr begegnete.
    Armand gegenüber hatte ich die Geisterstimme mit keinem Wort erwähnt. Er schien sie nicht zu hören, schien auch die anderen Gespenster seines Heims nicht zu bemerken. Warum also sollte ich ihn da hineinziehen? Es war ja auch möglich, dass ich es mir nur einbildete, weil die vielen Eindrücke, die jetzt auf mich einstürmten noch so neu und ungewohnt waren, oder weil ich selbst noch mit meiner neuen Natur haderte. Immerhin war mir der Geist, der zu dieser einen Stimme, dieser düsteren Energie gehörte, noch nicht erschienen. Und alle anderen Bewohner, sowohl lebend als tot, begegneten mir ohne Zorn oder Abneigung.
    Ziellos wanderte ich in den Kellerräumen umher, las die Etiketten auf den Weinflaschen, obwohl ich kein Wort Französisch verstand, bis ich schließlich an den kleinen vergitterten Raum kam, von dem Armand mir erzählt hatte, dass sein Vater ihn als Strafzelle für seine Söhne angelegt hatte, wenn diese mal wieder ungezogen waren. Jacques de Toulourbet war ein strenger Mann gewesen, trotzdem hatte mein Liebster ihn verehrt, zu ihm aufgesehen und versucht, in seine Fußstapfen zu treten. Bis ein Vampir ihm einen Strich durch seine Pläne und Träume machte. Armand verbrachte in seiner Jugend deutlich mehr Zeit in der Zelle als sein BruderGaston. Er war der Rebell, der Wildfang, der Draufgänger. Später dann ein Hitzkopf, der zu viele Duelle ausfocht, und außerdem ein Frauenheld. Schmunzelnd ließ ich meine Finger über die Gitterstäbe gleiten, die es nicht vermocht hatten, das Temperament meines Geliebten einzusperren oder auch nur zu zügeln. Die Tür schwang auf, sie war nicht abgeschlossen. Ich hatte das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, doch da mich die Neugier trieb und für einen Moment von meinen dunklen Gedanken über die Geisterstimme ablenkte, betrat ich Armands einstiges Strafquartier. Darin standen noch immer ein Tisch und ein Stuhl, wohl für die Strafarbeiten gedacht, und ein notdürftiges Bett. Hatte Jacques seine Söhne hier tatsächlich für mehrere Tage eingesperrt? Bei Wasser und Brot, wie Strafgefangene, mit Papier und Federkiel, um ihre Fehltritte niederzuschreiben und daraus zu lernen? Wie grausam.
    Plötzlich fiel mit einem lautern Scheppern die Gittertür hinter mir ins Schloss. Der Riegel sprang vor, ich war gefangen. Im ersten Moment überrollte mich Panik, ich rüttelte am Gitter, doch vergebens. Dann besann ich mich meiner vampirischen Fähigkeiten und versuchte, die Tür mit der Kraft meines Geistes zu öffnen, was aber ebenso erfolglos blieb. Ein hässliches Lachen hinter mir ließ mich herumfahren. Auf dem alten Holzschemel, mit dem Rücken an die abgewetzte Oberfläche des Tisches gelehnt, saß ein Geist – Gerard. Das schwarze Schaf in der Familie und der letzte legitime Träger des Titels Toulourbet, den Armand eigenhändig ins Jenseits befördert hatte, wie ich wusste.
    „Schau, schau, schau, was für ein Vögelschen da im Käfik sitzt.“
    Ruhig bleiben, sagte ich zu mir selbst. Er war nur ein Geist. Er konnte mir nichts tun. Das hoffte ich zumindest.
    Ich schaute mir Armands Nachfahren genauer an. In einem der Fotoalben, die wir uns angesehen hatten, war eine Sepiafotografie von ihm gewesen, dem Mann, den Armand hatte töten müssen, um das Erbe seiner Familie vor dem Bankrott zu bewahren. Von Angesicht zu Angesicht traten die vom Alkohol trüben Augen und die aschfahle Haut noch deutlicher hervor. Das Gemälde in der Ahnengalerie, das ihn als stolzen Landedelmann zeigte, war der blanke Hohn. Für einen Geist hatte er erstaunlich viel Substanz, was im Allgemeinen auf starke Emotionen hinwies, die ihn an einen Ort oder eine Person banden. Gefühle waren das Bindeglied zwischen der Seele und der irdischen Welt. Je stärker sie waren, desto stärker war auch der Geist. Negative Gefühle wie Angst, Trauer, Hass oder Wut verliehen meist mehr Energie als Liebe oder die Sehnsucht, jemandem nahe zu bleiben. Die hinter Gerard liegende Steinmauer und der Tisch waren kaum zu erkennen, so stark konnte er sich manifestieren. Angesichts seiner Todesumstände lag die Erklärung dafür auf der Hand. Seine Aura flutete mir in einer riesigen Woge entgegen, und ich erkannte die negativen Schwingungen der gepeinigten
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