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Ruf der Vergangenheit

Ruf der Vergangenheit

Titel: Ruf der Vergangenheit
Autoren: Nalini Singh
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besonders gute Schauspielerin war. Stattdessen war er seiner Achillesferse in Gestalt einer Frau begegnet – einer Frau ohne Schranken, ohne Schutzschilde.
    Sie hatte ihn berührt, und er hatte sie nicht fortgestoßen, obwohl ihm Körperkontakt noch nie leichtgefallen war, selbst die üblichen flüchtigen Berührungen, die viele für selbstverständlich hielten. Dev blieb lieber auf Distanz. Doch ihre Hand lag immer noch auf seinem Haar, immer noch spürte er ihre zarte Haut unter seinen rauen Fingern.
    Er musste gegen das instinktive Bedürfnis ankämpfen, sie zu beschützen und zu retten. Das eiskalte Herz, das ihm manche nachsagten, schien doch noch etwas Wärme in sich zu bergen. Nur reichte sie nicht aus, um ihn für die zynische Wahrheit blind zu machen – Katya konnte der beste Streich des Rats sein, eine Waffe, die primitive Instinkte in ihm wecken sollte, über die er keine Kontrolle hatte. „Was soll ich Ihnen versprechen?“, fragte er und wappnete sein Herz gegen eine Bitte um Gnade.
    Doch sie strich mit der Hand über sein Haar, als sei sie von dessen Struktur fasziniert, und fragte: „Würden Sie mich töten?“
    Er erstarrte.
    „Wenn ich zu sehr zerstört bin“, fuhr sie fort, „unheilbar, würden Sie mich dann töten?“
    In diesem Augenblick wirkte sie nicht mehr verloren. Ein Feuer brannte in ihr, ein zu allem entschlossener Wille. „Katya –“
    „Er hat irgendetwas tief in mir bewirkt“, flüsterte sie mit Nachdruck, einer Kraft, die sich nicht mehr zurückhalten ließ. „Er hat mich beeinflusst. Ich möchte lieber sterben, als das zu sein. Seine … Kreatur.“
    Der gepeinigte Ausdruck auf ihrem Gesicht, das Fürchterliche ihrer Worte erschütterte die stählernen Schilde, die seine Seele umgaben, drohte, ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen. „Sie werden niemals den Kampf dagegen aufgeben, sonst hätten Sie es längst getan“, sagte er und konnte sich nicht von den grüngoldenen Augen lösen.
    Mutlos ließ sie ihre Hand fallen, hielt jedoch seinem Blick stand, unerschütterlich in ihrer Ehrlichkeit. „Woher wollen Sie wissen, dass ich es nicht getan habe?“
    Nachrichtenprotokoll Erde 2:
Station Sunshine
    21. Februar 2080: Die neue Mannschaft ist um 0900 eingetroffen. Keinerlei Anzeichen von körperlicher oder geistiger Instabilität. Arbeitsanfang ist morgen, sobald sich die Mitglieder des Teams akklimatisiert haben.
    Ratsherr Ming LeBon hat einen Bericht über längerfristige Überlebensmöglichkeiten angefordert, der ihm mit dem nächsten Mannschaftswechsel zugehen wird. Nach den jetzigen Berechnungen bietet dieser Ort zukünftig wertvolle Ressourcen, alle Daten werden jedoch vor Abschluss des Berichts einer sorgfältigen Prüfung unterzogen.

 
    6
    Vor einer Stunde erst hatte Katya ihn gebeten, sie zu töten. Jetzt saß ihr Dev an einem Tisch im Pausenraum gegenüber und schob ihr einen Teller zu. „Essen Sie.“
    Sie rührte die Speisen nicht an, sah ihm fest in die Augen, die im Moment mehr golden als grün schimmerten und aus deren Pupillen braune Blitze schossen. „Werden Sie Ihr Versprechen halten?“
    Er wusste, wann man ihm etwas vorspielte. Allerdings baten die meisten um weit weniger endgültige Dinge. „Falls es notwendig werden sollte, werde ich Sie töten.“
    Sie schien über seine Worte nachzudenken, dann griff sie nach der Gabel. „Danke.“ Sie aß wie ein Vögelchen nur winzige Bissen, und er überlegte sich derweil, was er mit ihr anfangen sollte. Dev war sich im Klaren darüber, was aus ihm geworden war, aber er war – zumindest im Augenblick – noch keine Bestie und würde sie nicht noch einmal den Bestien zum Fraß vorwerfen. Doch ebenso wenig konnte er zulassen, dass sie mit der Organisation von Shine vertraut wurde.
    Katya sah zwar zerbrechlich aus und sprach Instinkte in ihm an, die seine verletzte Seele in der Kindheit entwickelt hatte, aber Katya war auch eine Mediale – und Mediale kümmerten sich nur so weit um ihren Körper und ihr Aussehen, wie es für ihre Arbeit notwendig war. Er musste vor allem auf ihren Verstand achten – sie durfte keinesfalls in die Nähe von Computern gelangen, durfte sich keine Daten verschaffen, vor allem keine, die ihnen schaden konnten.
    Die Frau, der seine Gedanken galten, schob den fast vollen Teller weg. „Mein Magen kann nichts mehr aufnehmen.“
    „In einer Stunde gibt es die nächste Mahlzeit.“
    Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber sie presste die Fingerspitzen auf die Tischplatte.
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