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Ruf der Vergangenheit

Ruf der Vergangenheit

Titel: Ruf der Vergangenheit
Autoren: Nalini Singh
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Doch die Wärme war nicht echt, nicht menschlich.
    „Mir ist etwas eingefallen“, brach es aus ihr heraus.
    Seine Hände hörten nicht auf, ihr Haar zu bürsten. „Und was?“
    Sie lehnte sich nach hinten, hungerte so nach Berührung, als ob sich ihre Haut dünn und ausgetrocknet wie Pergament anfühlte. „Ich weiß, wie die Welt aussieht. Ich weiß, dass ich eine Mediale bin. Und ich weiß, dass ich eigentlich keine Gefühle haben sollte.“ Doch sie hatte trotzdem Gefühle. Hunger, Furcht und Verwirrung zerrten an ihr, forderten ihre Aufmerksamkeit, wollten wahrgenommen werden.
    Und darunter lag der Schrecken. Unermesslich. Unbeschreiblich. Ununterbrochen.
    Devs Finger legten sich um ihren Nacken, warm und lebendig, eine sanfte Aufforderung. „Was wissen Sie von der Welt? Politische Zusammenhänge?“
    „Jedenfalls genug. Wenn auch nur Bruchstücke.“ Sie holte tief Luft, sein Geruch, schwerer als das frische Aftershave, war nun in ihr. Ihr Herz schlug schnell, ihre Handflächen wurden feucht. „Ich verstehe, was die Nachrichtensprecher im Fernsehen sagen. Und ich weiß noch mehr … weiß, wer – was – Sie sind. Was Shine ist. Nur über mich selbst weiß ich nichts. Absolut nichts.“
    „Das stimmt nicht.“ Feste Bürstenstriche, die an ihrer Kopfhaut zogen. „Immerhin träumen Sie.“
    Furcht stieg in ihr hoch, ihr wurde übel. „Das will ich aber nicht.“
    „Es ist eine Möglichkeit der Verarbeitung.“
    Die Arme taten ihr weh, sie hielt sich so fest, dass ihre Muskeln vor Anstrengung zitterten. Zwang sich, den Griff zu lockern, konzentrierte sich auf die Bürstenstriche, die Borsten auf der Kopfhaut, die Hitze, die der Mann hinter ihr ausstrahlte. „Ich bin eine Gefahr.“
    „Stimmt.“
    Dass er sie nicht angelogen hatte, machte es ein wenig leichter. „Was werden Sie mit mir tun?“
    „Sie zunächst einmal in meiner Nähe behalten.“
    „Das sollten Sie lieber nicht tun.“ Es war ihr einfach herausgerutscht. „Mit mir stimmt etwas nicht.“ Die Umrisse von etwas Fremden saßen ganz hinten in ihrem Schädel, unhörbar flüsternde Schatten.
    „Ich weiß.“ Er hörte sich nicht besorgt an, aber wahrscheinlich kannte er so etwas wie Furcht nicht. Sie dagegen kannte dieses Gefühl viel zu gut. Wie schleichendes Gift saß es in jeder Zelle. Doch noch war sie bei Verstand, obwohl sie sich innerlich gebrochen fühlte.
    „Was wollen Sie von mir?“ Denn warum sonst sollte er sie am Leben lassen, sie bei sich behalten?
    „Können Sie sich an die Forschungen erinnern, die Sie zusammen mit Ashaya betrieben haben?“
    Blasse blaugraue Augen, dunkle, wilde Locken, kaffeebraune Haut: Ashaya. „War sie hier?“ Sie spürte, wie ihre Haut sich spannte, als sie die Stirn in Falten zog. „Sie war hier.“
    „Ja.“ Sanfte Bürstenstriche durch längst glatt gekämmtes Haar. „Sie möchte, dass Sie bei ihr wohnen.“
    Katya schüttelte bereits den Kopf, als er den Satz noch nicht ganz ausgesprochen hatte. „Nein.“ Angst schnürte ihr die Kehle zu, so sehr, dass sie kaum noch atmen konnte. Lichtpunkte tanzten vor ihren Augen, sie spürte höllische Schmerzen in der Brust.
    Die Bürstenstriche hörten auf, und plötzlich kniete Dev vor ihr, ergriff sie bei den Händen. „Weiteratmen.“ Ein Befehl, der keine Weigerung zuließ.
    Sie sah in die nicht nur braunen Augen, versuchte ihr Gleichgewicht, ihr eigenes Bewusstsein wiederzufinden. „Weiteratmen“, wiederholte sie mit dünner Stimme, einem kaum vernehmbaren Flüstern. „Weiteratmen.“ Zischend drang Luft in ihre Lungen, sie schmeckte nach dem faszinierenden Mann, der in ihr nie etwas anderes als einen Feind sehen würde.
    Doch im Augenblick war ihr das gleichgültig.
    Sie wollte in diesen Duft eintauchen, bis die Angst in ihr nur noch eine ferne Erinnerung sein würde, ein vergangener Traum. Erneut tat sie einen tiefen Atemzug, genoss mit allen Sinnen Devraj Santos. Er roch nach Macht und unerwartet auch nach etwas Wildem, nach Zimt und nach Gerüchen, die der Wind aus dem Orient mit sich brachte – woher sie dieses Wissen, diese Worte nahm, wusste sie nicht. Ohne es bewusst zu wollen, hob sie die Hand und legte sie auf seinen dichten, dunklen Schopf. Sein Haar war ganz weich, viel weicher, als es zu einem solchen Mann gepasst hätte. „Versprechen Sie mir etwas?“
    Seit vielen Jahren zum ersten Mal stand Dev vor einer Gegnerin, die er nicht einschätzen konnte. Er war zu ihr gegangen, um zu entscheiden, ob sie vielleicht nur eine
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