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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten
Autoren: Marcel Feige
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einer Antwort von sich gab, schien er als Zustimmung zu werten. »Wie wäre es mit dem Science-Museum?«
    Sie gähnte. »Das am Hyde Park?« Er hatte davon erzählt, irgendeine Ausstellung lief dort, doch sie war noch zu müde, um ihre Gedanken darauf zu konzentrieren.
    »Ja«, bestätigte er.
    »Warum?«, nuschelte sie, während sie ihre Decke über den Kopf zog und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, der sie mit seinen zarten Armen umschlungen gehalten hatte, bis Paul sie aus dem Schlaf riss.
    »Das habe ich dir doch schon gesagt«, klagte er, und seine Enttäuschung war nicht zu überhören. »Dort läuft bis Januar die Herr-der-Ringe-Ausstellung.«
    Ihr Traum kehrte nicht zurück, dafür die Erinnerung an jene Ausstellung; sie zeigte Requisiten aus den Filmen von Peter Jackson und gewährte Einblicke in die Entstehung der Special Effects – für Tolkien-Freaks, wie Paul einer war, ein Pflichttermin. Sie selbst wusste noch nicht, was sie davon halten sollte. Sie war kein großer Filmfan, das Buch hatte ihr besser gefallen. Fest drückte sie ihr Gesicht ins Kissen, als könne sie dieses vor weiteren Unannehmlichkeiten bewahren. »Muss das unbedingt heute sein?«
    »Ach Bea«, flüsterte Paul.
    Raschelnd hob sich ihre Decke, und sie spürte, wie er sich an sie schmiegte.
    »Ach Paul«, antwortete Beatrice. Sie drehte sich zu ihm um, sodass sie sich wie in einer kleiner Höhle gegenüberlagen. »Ich habe ein stressiges Wochenende hinter mir…«
    »Du weißt, dass du nicht mehr kellnern musst, um dein Studium zu finanzieren.«
    Beatrice verdrehte die Augen. »Paul, bitte…«
    »Ist ja schon gut«, beschwichtigte er. »Aber du könntest dir den ganzen Stress sparen, wenn du das Angebot meiner Eltern annehmen würdest.«
    »Und wir könnten uns den ganzen Stress sparen, wenn du nicht laufend davon anfangen würdest«, versetzte sie scharf. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass deine Eltern mir angeboten haben, in ihrem Hotel auszuhelfen.«
    »Warum sträubst du dich dann dagegen?«
    Sie seufzte. »Paul, bitte, nicht schon wieder, nicht heute. Du weißt, dass ich das Angebot sehr verlockend finde, und ich bin deinen Eltern sehr dankbar. Aber ich möchte im Moment nicht darauf eingehen.«
    Für mehrere Sekunden blieb es still. Sie schloss die Augen, der Schlaf trug sie wieder fort, da brummte Paul verstimmt: »Und was ist mit heute?«
    Erschrocken riss sie die Lider hoch. »Heute?«
    »Das Museum!«
    Sie atmete tief durch. Gewiss, der Montag war ihr gemeinsamer Tag. Sie saß für den Rest der Woche in Vorlesungen und Seminaren an der Uni, und Paul arbeitete im Schichtdienst an der Rezeption im The North Side, der kleinen Hotelpension seiner Eltern. Aber der Montag war auch ihr eigener, ganz persönlicher freier Tag, an dem sie ihre wund gelaufenen Füße vom Wochenende zu schonen gedachte – bei einem guten Buch auf der Couch, bei einem gemütlichen Brunch daheim, aber nicht inmitten durchgedrehter Touristenhorden, die sie von einer Plastik zur nächsten Skulptur schubsten. Deshalb fragte sie: »Muss das wirklich sein?«
    Er rückte näher an sie heran. »Bitte, Bea, ich mag nicht alleine hingehen.«
    »Dann gehst du halt mit jemand anderem.«
    »Aber heute ist unser Tag«, beharrte er.
    »Können wir denn nicht morgen oder am Mittwochabend da hin?«
    »Du weißt, da muss ich bei meinen Eltern ran.«
    So würde es jetzt noch mindestens eine halbe Stunde gehen, schwante ihr. Deshalb lenkte sie zähneknirschend ein. »Meinetwegen.« Und jetzt möchte ich endlich noch ein oder zwei Stündchen schlummern, bitte. »Meinetwegen, gehen wir ins Museum.«
    »Du bist ein Schatz«, freute er sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich liebe dich!«
    »Ich dich auch, aber noch viel mehr, wenn du mich jetzt noch eine Weile schlafen lässt!«
    Sie schloss die Augen, und die Matratze schaukelte, als Paul zurück unter seine Decke kroch. Sie versuchte, an etwas Schönes zu denken, das sie zurück ins Schlummerland tragen würde. Ein endloser Strand, an dem die Sonne glutrot im Meer versank, während sich ihre letzten Strahlen in den rauschenden Wellen brachen. Ein prächtiges Feld voller Sonnenblumen, die der Wind zärtlich in den Schlaf wiegte. Paul, wie er neben ihr lag und sich schnaufend herumwälzte.
    Entnervt lugte sie unter ihrer Decke hervor, doch Paul schnarchte zufrieden vor sich hin. Jetzt lag sie wach, und es machte nicht den Eindruck, dass sich etwas daran ändern würde. Das sah ihm ähnlich. Erst weckt er
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