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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer
Autoren: Aufbau
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gleich gesagt, dass ihr super zusammenpasst. Was ich nicht verstehe: Wo liegt denn nun das Problem?«
    Deike beschrieb den verhängnisvollen Abend in allen Einzelheiten, seinen Auftritt bei ihr und ihren Gegenbesuch bei ihm.
    »Und dann hat er mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. Einfach so. Ohne ein weiteres Wort. Was soll ich wohl davon halten?«
    »Vielleicht hat die Duschel ausnahmsweise mal recht, und er ist ein gefährlicher Psychopath.«
    »Meinst du, ich soll mir eine andere Wohnung suchen?«
    »Blödsinn, das habe ich doch nicht ernst gemeint.«
    »Nein, deswegen doch nicht, aber ich habe wirklich darüber nachgedacht, ob ich lieber das Feld räumen soll. Dann sehe und höre ich ihn nicht ständig und komme endlich wieder auf andere Gedanken.«
    Natty wollte von dieser Idee partout nichts wissen. Sie drängte ihre Schwester, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Du musst noch einmal das Gespräch suchen. Auf andere Gedanken kommst du erst, wenn die Sache zwischen euch geklärt ist. Warum schreibst du ihm keinen Brief? Kann doch sein, dass es für ihn einfacher ist, dir schriftlich zu antworten.«
    Das war keine üble Idee. Sie würde es sich überlegen.

15.
    Mit Beginn der Hauptsaison wuchs die Arbeit in der Redaktion. Deike war es nur recht. Sie war abgelenkt und hatte eine perfekte Ausrede, um unangenehme Aufgaben, wie etwa einen Brief an den Nachbarn schreiben, von Tag zu Tag aufzuschieben. Mal musste sie nach Stralsund in die Druckerei, dann hoch nach Kap Arkona, um sich über eine bevorstehende Vernissage zu informieren. Als sie an einem heißen Junitag – wie sollte das erst im Juli und August werden? – oben am nördlichsten Punkt der Insel war, um Bär Boy in seiner Galerie zu treffen, sah sie Silvio. Sie war gerade in dem Handwerkerhof, in dem Natty damals die Kreidemännchen erstanden hatte. Wieder war er auf dem Rad unterwegs, doch dieses Mal hielt er vor dem Gebäude-Ensemble an und entdeckte sie augenblicklich.
    »Hallo, Frau Journalistin, wie geht es dir?«
    »Gut«, log sie. »Was machst du hier? Wohnst du in der Nähe?«
    »Ja, gleich da drüben.« Er nickte eifrig und zeigte mit dem Finger auf ein altes Haus am Ende der kopfsteingepflasterten Straße.
    Sie plauderten ein wenig über Belangloses und darüber, wiesich die Insel mit dem zunehmenden Besucherstrom veränderte.
    »Endlich ist wieder etwas los. Davon zehre ich den gesamten Winter.«
    »Tatsächlich? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es auf Rügen komplett ruhig und einsam wird. Kürzlich war ich auf Vilm …« Sie stockte. »Dass einem da die Decke auf den Kopf fällt, kann ich verstehen«, murmelte sie schnell und hätte sich ohrfeigen können. Die Gedankenspirale begann auf der Stelle, sich zu drehen.
    Glücklicherweise merkte Silvio ihr nichts an und erzählte, dass er in den Sommermonaten einen kleinen Laden führte, in dem es Rügenliteratur, Postkarten und seine Holz-Papier-Kunst zu kaufen gab.
    »Ich dachte, du seiest Handwerker von Beruf und erschlägst arglose Badegäste.«
    »Bin ich eigentlich auch, aber eher im Herbst und Winter. Während der Saison bin ich hauptsächlich Künstler.«
    »Aha, und was machst du so?«
    »Ein paar Häuser weiter gibt es einen Papiermacher. Der hat eine Handschöpferei, eine alte Druckerpresse und so ein Zeug. Von dem bekomme ich Material, das Holz suche ich mir am Strand zusammen. Daraus bastle ich kleine Segelboote zum Hinstellen oder Hinhängen, auch Mobiles.«
    »Und das ist Kunst?«
    »Touristen kaufen alles, was du ihnen als Kunst anbietest, vor allem, wenn es einen Bezug zur Insel hat.«
    »Holz gibt es doch überall«, gab sie zu bedenken. »Ich könnte mir typischere Souvenirs vorstellen.«
    »Es kommt darauf an, dass sie glauben, ich hätte das Holz auf Rügen gesammelt, verstehst du? Natürlich bringe ich mirauch vom Festland Stücke mit, wenn die geeignet sind.« Silvio zuckte mit den Schultern. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Was soll’s?«
    »Ihr seid mir vielleicht Künstler!« Sie schüttelte den Kopf, musste aber schmunzeln. »Kennst du Boy, den Galeristen? Das ist auch so eine Type!«
    »Mit dem kann ich mich nicht messen. Boy ist ein echter Künstler.« Seine hübschen Augen waren kullerrund geworden, er schien tatsächlich Respekt vor dem Mann zu haben. »Einer der wenigen hier«, fügte er hinzu und zwinkerte übertrieben.
    Deike erzählte von dem Kurs, den sie bei Boy machen sollte, dass ihr das Ganze aber zu abgehoben vorkam. Sie feixten
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