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Rückkehr nach Wedenbruck

Rückkehr nach Wedenbruck

Titel: Rückkehr nach Wedenbruck
Autoren: Tina Caspari
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der Gerte zwischen die Ohren?“
    „Manchmal. Ich lass mich doch nicht für dumm verkaufen von so einem. Man muss immer zeigen, wer das Sagen hat.“
    Durch die Reihe der Schüler ging ein Raunen. Manche stöhnten auf. Es war klar, dass Otto nachplapperte, was ihm sein Vater eingebläut hatte.
    Bille hörte nicht auf, den Wallach sanft mit den Fingerkuppen zu massieren. Ganz allmählich begann der Fuchs sich zu entspannen, er ließ Kopf und Ohren hängen, und sein vorher schreckhaft starrer Blick schien sich nach innen zu wenden - dorthin, wo sich jetzt ein ungekanntes Wohlgefühl in seinem Körper ausbreitete.
    „Wer von euch“, fragte Bille in einem leisen, ruhigen Ton, „hat jetzt so genau hingesehen, dass er sagen kann, was mit Hektor passiert?“
    Rebekka, die neben ihnen stand, hatte neugierig beobachtet, was Bille tat. „Er wird plötzlich ganz schläfrig“, sagte sie. „Er ist kein bisschen nervös mehr.“
    „Richtig. Ich habe bei Hektor Nervenzentren angeregt, die ihm seine Unruhe und Angst nehmen. Er beginnt sich wohl zu fühlen.“ Bille ließ ihre Hände weiter in kleinen Kreisbewegungen an Hektors Hals und seiner Wirbelsäule entlanggleiten . Sie vermied dabei sorgsam, in die Nähe der Ohren zu kommen, denn Hektor hätte vermutlich sofort Schläge erwartet. Ohne zu unterbrechen, wandte sie sich an die anderen Schüler. „Ihr müsst ein bisschen Geduld haben. Ich werde mir für jeden von euch viel Zeit nehmen. Und wenn ihr bei den anderen genau hinseht und hinhört, dann habt ihr für heute schon etwas Wichtiges gelernt.“
    Otto stand sichtbar ratlos neben seinem Pferd. Hektor hatte offensichtlich Vertrauen zu dieser Frau gefasst, er stand völlig entspannt da, fast schien es, als lehne er sich leicht an ihre Hand an. Als Bille Otto jetzt ansprach und ihn bat, sein Pferd einmal im Schritt vorzureiten, sah er sie entsetzt an. „Einfach so? Ohne Sattel und Steigbügel? Ich bin doch nicht lebensmüde!“
    „Reitest du niemals mit deinem Pferd ohne Sattel über eine Wiese - vielleicht bis zum nächsten See, um mit ihm zu schwimmen?“
    „Ich geh nie ins Gelände!“, erklärte Otto selbstsicher. „Mit Hektor nicht und mit anderen auch nicht. Da kann so viel passieren. Gerade mit so einem teuren Dressurpferd.“
    „Da bin ich ganz anderer Ansicht!“, sagte Bille lächelnd. „Draußen, im freien Gelände, fängt die Freude am Reiten erst richtig an. Auch für das Pferd. Aber gut. Ich möchte trotzdem, dass du Hektor mal im Schritt vorreitest, denn ich will dir und den anderen etwas zeigen. Und ohne Sattel und Steigbügel kannst du Hektors Bewegungen viel besser spüren und darauf eingehen.“
    „Aber meine Reitgerte ...“
    „Die brauchst du jetzt nicht.“
    Otto wurde auf einmal sehr kleinlaut. „ D-d-das kann ich nicht. Ich meine, das ist zu gefährlich. Hektor ist so unberechenbar. Was glauben Sie, was wir mit dem schon erlebt haben!“
    Bille sah den Jungen nachdenklich an. „Wie kommt es, dass dein Vater dich mit so einem ,unberechenbaren’ Pferd hier ins Internat schickt?“
    „Na, immerhin bin ich schon zwölf, und ich reite seit meinem vierten Lebensjahr!“, verteidigte Otto sich. „ Hektor ist mein Pferd, ich wollte ihn unbedingt haben, weil - na, der ist unheimlich begabt, der kann schon alle Dressuraufgaben bis rauf zum Grand Prix. Einerwechsel und so was.“
    „Du bist mit ihm auf Turniere gegangen?“, erkundigte sich Bille erstaunt.
    Otto druckste herum. „Na ja, bisher nur einmal. Er hat sich ziemlich daneben benommen. Der erschrickt vor jedem Blatt Papier, das auf dem Weg liegt. Und wehe, wenn ein Vogel an seiner Nase vorbeifliegt. Dann dreht er durch.“
    „Kein Wunder, wenn er jahrelang außer seiner Box und der Reithalle nichts zu sehen bekommt“, erwiderte Bille trocken. „Also, du meinst, es ist zu gefährlich, ihn ohne Sattel zu reiten.“
    Otto nickte stumm. Die anderen folgten dem Gespräch mit großen Augen. Bisher hatte Otto mit Hektor nur ein paar Einzelstunden bei Frau Körber gehabt, der anderen Reitlehrerin des Internats. Was Otto danach erzählt hatte, ähnelte der Beschreibung eines Gladiatorenkampfes mit einem ausgewachsenen Löwen. Dass Otto sich jetzt weigerte, ohne Sattel sein Pferd zu besteigen, machte die Sache ausgesprochen spannend.
    „Hab ich mir doch gedacht, dass der in Wirklichkeit ein totaler Schisser ist, so wie der immer angibt!“, wisperte jemand im Hintergrund.
    „Okay“, sagte Bille. „Wenn man Angst hat, sollte man so etwas
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