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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn
Autoren: Dane Rahlmeyer
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Haut hinterlassen hatten, und lauschte.
    Tatsächlich, der Wind verlor allmählich an Kraft. Er bemühte sich, aufzustehen und blieb ganz still. Über ihm zogen Wolken langsam weiter – und gaben den Blick auf die wenigen Sterne frei, die durch den Staubschleier zu erkennen waren. Vielleicht war es nur Einbildung oder Wunschdenken – dennoch glaubte er, dort oben zwischen den schwachen Lichtern ein blaugrünes Leuchten zu sehen.
    Kenlyn.
    Er lächelte irritiert. Ganz plötzlich war da wieder ein kleiner Funken Hoffnung. Er stand auf, ohne den Blick von dem winzigen Lichtfleck zu nehmen. Und er stellte sich vor, dass seine Gedanken hinauf zu den Sternen flogen, den Weltraum durchquerten und zu ihr gelangten:
    Endriel, wenn du mich hören kannst, ich bin hier. Und ich warte auf dich. Bitte lass mich nicht hängen.

2. Süße Rache
    »Ein weiser Mann hat einst gesagt: ›Vergebung ist die süßeste Rache‹.
    Dann starb er in geistiger Umnachtung.«
    – Kesbra der Ältere
    Zur gleichen Zeit, in der Südlichen Hemisphäre des Planeten Kenlyn, über zweihundert Millionen Kilometer entfernt, stand Endriel Naguun auf der Brücke der Korona und versuchte, unter den aufgehenden Gestirnen am Abendhimmel das trübblaue Leuchten des Saphirsterns auszumachen.
    Vergeblich.
    Die Antriebe des kleinen Drachenschiffs dröhnten unter ihren Füßen, und obwohl die Bordheizung einwandfrei arbeitete, fror sie. Draußen huschten herbstlich-bunte Wälder unter ihr vorbei, die rot, gelb, braun und gold im Licht der beiden Monde leuchteten. Endriel hatte die Beleuchtung gedämpft, um nicht ihr eigenes, müdes Gesicht im Glas der Brückenkuppel widerspiegeln zu sehen, und berührte abwesend die beiden Kristalle auf der silbernen Armschiene, die ihren rechten Unterarm umschloss.
    Nur Worte. Mehr brauchte sie nicht, um Kontakt mit dem Eidolon des alten Sha Yang aufzunehmen und von ihm zu erfahren, wie sie zu Kai gelangte. Nur ein paar kleine, harmlose Worte.
    Aber welche, verdammt, welche?
    Die letzten sechs Monate hatte sie alles versucht. Nichts hatte funktioniert. Und nun gingen ihr langsam die Ideen aus.
    Sie hatte keine Ahnung, ob er noch lebte. Sie wusste nicht, ob er wohlbehalten auf Te’Ra angekommen war. Vielleicht war er mittlerweile verhungert, vielleicht gab es noch Überbleibsel der Plage Rokor, die ihn verschlungen hatten. Nur eines wusste sie mit Gewissheit: Sie liebte ihn und sie vermisste ihn so sehr, dass es weh tat.
    Nur ein paar kleine, harmlose Worte, mehr nicht!
    Es war schwer, nicht zu schreien. Stattdessen strich sie sich frustriert das Haar aus dem Gesicht und holte tief Luft für einen schweren Seufzer. Ein Geräusch ließ sie sich umdrehen. »Entschuldige, Keru, hast du was gesagt?«
    »Das habe ich.« Der Skria stand hinter dem Steuer wie ein stolzer Löwe. Sein weißes Fell mit den blassgrauen Streifen leuchtete im Halbdunkel. »Wir sind bald da.«
    Endriel begriff erst langsam, was er meinte. Zumindest eines ihrer Probleme würde sich bald gelöst haben. Sie nickte. »Ich sag den anderen Bescheid.«
    Sie wandte sich vom Fenster ab und hatte die Brückentür schon halb aufgezogen, als Keru ihren Namen brummte. Er sah sie über die pelzige Schulter an. »Alles in Ordnung?«
    Verblüfft von der Frage, zögerte sie einen Moment. »Es geht mir gut, Großer«, antwortete sie dann.
    Keru nickte. Es war klar, dass er ihr nicht glaubte.
    Als Endriel Xeahs Quartier betrat, fand sie die alte Heilerin vor dem Speckstein-Altar der Heiligen Prophetin. Sie hatte die stummeligen Finger zum Gebet zusammengelegt.
    »Entschuldigung ... Störe ich?«
    Die Mundwinkel an Xeahs Schnabel zogen sich nach oben. »Wenn, dann hätte ich dich nicht hereingebeten, Endriel.« Von allen Mannschaftsmitgliedern kam sie mit der unfreiwilligen Hungerkur der letzten Zeit am ehesten zurecht, immerhin war sie durch ihre Zeit im Kloster ans Fasten gewöhnt. Endriel beneidete sie darum, genau wie um ihren Glauben und ihre Zuversicht.
    Xeah kämpfte sich unter Mühen auf die Beine. Endriel trat vor, um ihr zu helfen. »Es geht schon«, sagte die Draxyll. Jedoch verriet das seufzende Tuten ihres Horns ihre Erschöpfung. »Was gibt es denn?«
    »Wir werden demnächst landen.«
    »Oh, so bald schon? Gut.« Xeah griff nach einer Strickjacke, die an einem Haken neben ihrem Bücherregal hing und streifte sie sich über ihre weiße Robe. »Ich bin bereit.«
    »Willst du nicht lieber an Bord bleiben? Es ist ziemlich frisch draußen.«
    Xeahs Augen verengten
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