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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung
Autoren: Rafael Seligmann
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Ich habe noch nie eine nackte Frau gesehen. Und dieses Weib reißt einfach den Rock hoch – ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Geh her. Ziag di aus. Net das Hemad, nur die Hosen.«
    Ich gehorche ihr. Lege Hose und Unterhose auf den Sessel und setze mich zu ihr auf die Couch. Meine Hände und Füße sind eiskalt. In meinen Ellbogen und Kniekehlen spüre ich stechenden Schmerz.
    Da greifen ihre kurzen, fleischigen Finger schon nach meinem Schmock. Reiben und reißen, dass es mir wehtut. Ob ich ihr sagen soll, dass ich noch nie bei einer Frau war?
    Nein! Jetzt bloß kein Mitleid schinden!
    »Da tut sich fei nix.«
    Stimmt, überhaupt nichts. Ich hau einfach ab. Nein!Verdammt noch mal, nicht schon wieder davonlaufen! »Ja, was soll ich tun?« Typisch Jonathan Rubinstein.
    »Wir können es französisch machen, Schatzi.« Sie lächelt.
    »Gut.«
    »Ja, aber dann musst an Zwanziger draufzahlen.«
    Ich gebe ihr den Schein. Sie steht auf, der Rock bedeckt wieder ihren Unterleib, steckt die Banknote in die Tasche. Dann setzt sie sich wieder aufs Bett, schlägt erneut den Rock hoch, packt meinen Schmock und reibt ihn mit kurzen, ruckartigen Bewegungen.
    »Du, da tut sich nix.«
    »Kann man da nichts machen?«
    »Ja freilich. Aber das kostet no an Fuffziger.«
    Bist du vollständig verrückt geworden? Seit das Weib ihren Rock hochgerissen hat, ist der letzte Funken Geilheit in dir erloschen. Du hast nicht den geringsten Spaß an der Sache, nur noch Angst und Ekel. Du weißt, dass es dieser Hure nur darum geht, dir dein ganzes Geld abzunehmen, und du machst auch noch mit oder tust zumindest so, um dich vor ihr nicht total zu blamieren.
    Ich gebe ihr den Schein.
    Jetzt bin ich meinen Gewinn vollständig los.
    Sie steckt das Geld wieder in ihre Tasche und beugt sich über meinen Schoß. Wieder ein schmerzhaftes Ziehen und Zerren.
    »Du, Schatzi, da tut sich beim besten Willen nix.«
    »Es ist schon gut.«
    »Wie’st moanst.« Sie ist aufgestanden, reicht mir ein Papiertaschentuch. »Den Pariser wirfst bitte in den Eimer.« Ich tue wie geheißen, schlüpfe danach rasch in meine Kleider.Sie hat sich unterdessen die Hände gewaschen und geht mit raschen Schritten voraus, zurück in den Gang.
    »Servus, Schatzi.«
    Ich antworte nicht. Stürze die Treppen hinunter.
    Du ekelhaftes Schwein! Du Versager!
    Auf der Hohenzollernstraße ist es drückend heiß. Ich habe einen üblen Geschmack im Mund. Laufe Richtung Leopoldstraße. Reiß dich zusammen! Du gehst jetzt zu Fuß nach Hause, sonst schnappst du noch über!
     
    Der fast zweistündige Marsch durch den Englischen Garten und danach entlang der Isar hat mich ruhiger werden lassen. Vor unserer Wohnung in der Ländstraße zögere ich kurz, dann öffne ich die schwere Haustür und steige die stumpfe Holztreppe hoch. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss unserer Wohnungstür.

ESELEI
    »Schalom, Esel.«
    »Wieso kommst du erst jetzt?«
    »Das geht dich einen Dreck an.«
    »So sprichst du mit deiner Mutter?«
    »Genau so! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass es allein meine Sache ist, ob und wann ich nach Hause komme.«
    »Aber ich muss doch wissen, wann ich das Essen aufwärmen soll.«
    »Sobald ich es dir befehle!«
    »Sag mal, bist du heute vollkommen übergeschnappt?Was erlaubst du dir eigentlich?« Sie hat ihren Platz hinter dem Küchentisch verlassen und baut sich in ihrer vollen Größe von Einmeterfünfzig vor mir im Flur auf. »Hast du kein bisschen Achtung vor deinen Eltern? Fühlst du nicht einen Funken Dankbarkeit für Friedrich und mich? Seit deiner Geburt haben wir alles für dich getan.«
    »Soll ich euch noch dafür danken, dass ihr mich aus Israel in dieses Nazi-Land gebracht habt?«
    »Es gibt auch andere Menschen hier. Außerdem sind in ein paar Jahren alle Nazis tot.«
    »Ihr auch!«
    Für einen Moment weiten sich ihre hellbraunen Augen. Aber Esel fängt sich sofort. »Du hast ganz vergessen, wie es uns in Israel ergangen ist, Jonathan. Ich war krank, Friedrich hatte keine Arbeit. Womit hätten wir dich ernähren sollen?«
    »Verstehe! Jetzt bin ich wieder der Schuldige! Um mich vor dem Hungertod zu retten, musstet ihr nach Deutschland kommen. Nur merkwürdig, dass in Israel bis heute kein Mensch verhungert ist – was man von den Juden in den deutschen KZs nicht behaupten kann.«
    »Das ist vorbei!« Sie schreit.
    »Nichts ist vorbei! Die alten Nazis leben noch und erziehen ihre Kinder zu neuen Nazi-Schweinen.«
    »Du hast wieder Ärger in der Schule gehabt!«
    »Einen
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