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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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niederbeugen ließ, und meine Entmuthigung die Wirkung hatte, mir die wenigen Hilfsquellen zu rauben, die noch in meinem Geiste lagen, um mich so gut als möglich meiner traurigen Lage zu entreißen. Wohin ich mich auch immer flüchten wollte, so viel war klar, daß ich mich den beiden Arten, deren man sich zu meiner Vertreibung bedient hatte, nie entziehen konnte; die eine bestand darin, die Volksmasse im Geheimen gegen mich aufzuhetzen, die andere darin, mich mit offener Gewalt ohne Angabe eines Grundes zu vertreiben. Ich konnte folglich auf keinen gesicherten Zufluchtsort zählen, falls ich ihn nicht in größerer Ferne suchen wollte, als es mir meine Kräfte und die Jahreszeit zu gestatten schienen. Da mich dies alles auf die Gedanken zurückführte, mit denen ich mich zu beschäftigen begonnen hatte, wagte ich den Wunsch auszusprechen, man möchte mich lieber zu lebenslänglichem Gefängnisse verurtheilen, als mich unaufhörlich auf Erden umherirren lassen, indem man mich nach und nach aus allen Asylen vertriebe, die ich mir irgend wählen möchte. Zwei Tage nach meinem ersten Briefe schrieb ich einen zweiten an Herrn von Graffenried, um ihn zu bitten, ihren Excellenzen diesen Vorschlag zu machen. Die Antwort aus Bern auf beide war ein in den bestimmtesten und härtesten Ausdrücken erlassener Befehl, die Insel und das ganze mittelbare wie unmittelbare Gebiet der Republik innerhalb vierundzwanzig Stunden zu verlassen und zur Vermeidung der schwersten Strafen nie wieder dahin zurückzukehren.
    Dieser Augenblick war entsetzlich. Ich habe mich öfter in schlimmeren Aengsten, aber nie in größerer Verlegenheit befunden. Was mich jedoch am meisten mit Kummer erfüllte, war die Notwendigkeit, auf den Plan zu verzichten, der es mir wünschenswerth machte, den Winter auf der Insel zuzubringen. Es ist an der Zeit, die verhängnisvolle Begebenheit zu berichten, die meinem Unglück die Krone aufgesetzt und ein unglückliches Volk, dessen aufsprießende Tugenden verhießen, daß sie eines Tages denen Spartas und Roms gleichkommen würden, in mein Verderben mit hineinzog. In dem » Contrat social « hatte ich von den Corsen wie von einem neuen Volke, dem einzigen in Europa geredet, das noch nicht unter der Gesetzgebung gelitten hatte, und auf die große Hoffnung hingewiesen, die man auf ein solches Volk setzen müßte, wenn es das Glück hätte, einen weisen Lehrer zu finden. Mein Werk wurde von einigen Corsen gelesen, die für die ehrenvolle Art, in der ich mich über sie aussprach, dankbar waren; und die Nothwendigkeit, in der sie sich befanden, an dem Aufbau ihrer Republik zu arbeiten, brachte ihre Anführer auf den Gedanken, mich um meine Ideen über dieses wichtige Werk zu bitten. Ein Herr Buttafuoco, aus einer angesehenen Familie des Landes und Capitain in dem französischen Regimente Royal-Italien, schrieb hierüber an mich und besorgte mir mehrere Aktenstücke, um die ich ihn ersucht hatte, um mich mit der Geschichte und dem Zustande des Landes vertraut zu machen. Auch Herr Paoli schrieb mehrmals an mich, und obgleich ich einsah, daß ein solches Unternehmen über meine Kräfte ging, glaubte ich sie bei einem so großen und schönen Werke nicht vorenthalten zu dürfen, sobald ich alle dazu nöthigen Anleitungen erhalten haben würde.
    Genau um dieselbe Zeit erfuhr ich, daß Frankreich Truppen nach Corsica sandte und einen Vertrag mit den Genuesen abgeschlossen hätte. Dieser Vertrag und diese Truppensendung versetzten mich in Unruhe; und ohne mir einzubilden, daß ich in irgend einer Beziehung zu dem allen stehen könnte, hielt ich es doch für unmöglich und lächerlich an einem Werke, das wie die Constituirung eines Volkes eine so tiefe Ruhe verlangt, in dem Augenblicke mitzuwirken, wo es vielleicht auf dem Wege war unterjocht zu werden. Ich verhehlte Herrn Buttafuoco meine Befürchtung nicht, der mich durch die Versicherung beruhigte, daß, wären wirklich in diesem Vertrage Dinge vorhanden, die mit der Freiheit seiner Nation in Widerspruch ständen, ein so guter Bürger wie er nicht im Dienste Frankreichs bleiben würde, wie er doch thäte. In der That konnte sein Eifer für das Verfassungsleben Corsikas sowie seine enge Verbindung mit Herrn Paoli in mir keinen Argwohn gegen ihn aufkommen lassen, und als ich vernahm, daß er häufige Reisen nach Versailles und Fontainebleau unternahm und mit Herrn von Choiseul Beziehungen unterhielt, so schloß ich daraus nichts anderes, als daß er über die wirklichen
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