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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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mich ein kleines Geschäft, das mir so eben erst wieder eingefallen wäre, in meine Wohnung zurückriefe, und ich schickte mich an zu gehen. Frau von Broglie näherte sich ihrer Mutter und sagte ihr einige Worte ins Ohr, die ihre Wirkung hatten. Frau von Beuzenval erhob sich, um mich zurückzuhalten, und sagte: »Ich rechne darauf, daß Sie uns die Ehre geben werden, mit uns zu speisen.« Ich hielt es für thöricht, den Stolzen zu spielen, und blieb deshalb. Ueberdies hatte mich die Güte der Frau von Broglie gerührt und sie mir anziehend gemacht. Es gewährte mir große Freude, mit ihr zu speisen, und ich hoffte, daß sie es nach näherer Bekanntschaft mit mir nicht bereuen würde, mir diese Ehre verschafft zu haben. Der Herr Präsident von Lamoignon, ein intimer Freund der Familie, speiste ebenfalls daselbst. Er redete wie Frau von Broglie jene conventionelle Pariser Sprache, in der alles in kurzen Andeutungen, in versteckten Anspielungen ausgedrückt wird. Da gab es für den armen Jean Jacques keine Gelegenheit zu glänzen. Ich hatte so viel Vernunft, nicht invita Minerva den Liebenswürdigen und Geistreichen spielen zu wollen, und schwieg. Es wäre mein Glück gewesen, hätte ich immer so viel Klugheit besessen. Ich würde mich dann nicht in dem Abgrunde befinden, in dem ich augenblicklich bin.
    Ich war trostlos über mein tölpelhaftes Wesen, weil es mich unfähig gemacht hatte, in den Augen der Frau von Broglie ihre mir erwiesene Freundlichkeit zu rechtfertigen. Nach der Tafel nahm ich zu meiner gewöhnlichen Hilfsquelle die Zuflucht. Ich hatte in meiner Tasche eine Epistel in Versen, die ich während meines Aufenthalts in Lyon an Parisot gerichtet hatte. Dieser Arbeit fehlte es nicht an Wärme; ich hob dieselbe durch die Art meines Vortrages noch mehr hervor und rührte sie alle drei zu Thränen. Beruhte es nun auf bloser Eitelkeit oder deutete ich die Blicke, die ich Frau von Broglie ihrer Mutter zuwerfen sah, wirklich richtig, sie schienen mir ihr zu sagen: »Nun, Mama, hatte ich nicht Recht zu behaupten, daß es schicklicher wäre, diesen Mann mit uns als mit unsern Kammerfrauen speisen zu lassen?« Bis zu diesem Augenblicke war mir das Herz ein wenig schwer gewesen; aber nachdem ich mich auf diese Weise gerächt hatte, war ich zufrieden. Frau von Broglie, die ihre günstige Meinung von mir ein wenig zu weit trieb, glaubte, daß ich in Paris Aufsehen erregen und ein Liebling der Frauen werden würde. Um mir bei meiner Unerfahrenheit eine Anleitung zu geben, schenkte sie mir die Bekenntnisse des Grafen ***. »In diesem Buche,« sagte sie zu mir, »besitzen Sie einen Mentor, dessen Sie in der Welt bedürfen werden. Sie werden gut daran thun, ihn bisweilen zu Rathe zu ziehen.« Länger als zwanzig Jahre habe ich dieses Exemplar aus Dankbarkeit gegen die Hand, aus der ich es empfing, aufbewahrt, aber freilich oft über die Meinung lachend, welche diese Dame von meinen Anlagen zur Galanterie zu haben schien. Seit meiner Lectüre dieses Buches wünschte ich mir die Freundschaft seines Verfassers zu erwerben. Diese Sehnsucht führte mich nicht irre: er ist der einzige wahre Freund, den ich unter den Gelehrten gehabt habe. [Fußnote: Ich habe dies so lange geglaubt und war so fest davon überzeugt, daß ich nach meiner Rückkehr nach Paris gerade ihm das Manuscript meiner Bekenntnisse anvertraute. Der mißtrauische Jean Jacques hat nie an die Treulosigkeit und Falschheit glauben können, als nachdem er ihr Opfer geworden war.]
    Von diesem Augenblicke an rechnete ich darauf, daß mich die Frau Baronin von Beuzenval und die Fran Marquise von Broglie, die eine sichtliche Theilnahme für mich hegten, nicht lange ohne Hilfsquelle lassen würden, und ich täuschte mich nicht. Reden wir jetzt von dem mir bei Frau Dupin gestatteten Zutritt, der längere Folgen gehabt hat. Frau Dupin war bekanntlich eine Tochter Samuel Bernards und der Frau Fontaine. Man konnte sie und ihre beiden Schwestern die drei Grazien nennen. Die eine derselben, Frau de la Touche, war mit dem Herzog von Kingston nach England durchgegangen, und die andere, Frau von Arty, war die Geliebte und, was mehr sagen will, die Freundin, die einzige und aufrichtige Freundin des Prinzen von Conti, eine durch die Sanftmuth und Güte ihres liebenswürdigen Charakters wie durch die Anmuth ihres Geistes und die sich stets gleich bleibende Heiterkeit ihrer Laune anbetungswürdige Frau. Zu ihnen trat als die dritte Frau Dupin, die schönste von den Schwestern und die
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