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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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in einem weißen Kittel und mit einem Mundschutz um Zinken und Bärtchen. Seine Augen waren von unbestimmbarer Farbe - irgendwas zwischen Grau und Braun -, und ihr Blick war hart.
    „Wo ist der PC, den Sie Roland Siebling gestohlen haben?“, fragte er. Und starrte.
    „Den habe ich sofort der Mülheimer Polizei ausgehändigt. Die lässt ihn seitdem von Spezialisten untersuchen.“
    Die Bullen wissen Bescheid, lautete die unausgesprochene Botschaft, sie sind unterwegs, also lasst mich und die Zwillinge frei und haut ab, solange noch Zeit ist, solange der Flughafen noch geöffnet hat. Onkel Ben schnaubte, ohne seine Augen auch nur eine Sekunde von den meinen zu nehmen. „Blödsinn“, sagte er. „Ich habe vorhin noch mit Hauptkommissar Menden telefoniert.“
    Und mit einem Schlag wusste ich, wen ich vor mir hatte. Peelaert, Untersuchungsrichter Benjamin Peelaert. Onkel Ben. Und der Schweiß auf meiner Stirn wurde kalt.
    „Wo ist der PC?“, fragte Peelaert erneut, eine Spur ungeduldiger als beim ersten Mal.
    „Bei mir zu Hause.“ Es war nicht einfach, mit vor Angst klappernden Zähnen und dem Lederriemen um mein Kinn deutlich zu sprechen, doch ich gab mir Mühe. Große Mühe. „In Mülheim. Ich lasse ein Dechiffrierungsprogramm durchlaufen, doch das braucht noch bis morgen früh.“
    Fahrt hin und rettet, was zu retten ist, sollte das suggerieren.
    „Blödsinn“, wiederholte Peelaert. „Menden sagt, Sie haben den Rechner an einen Hacker gegeben. Ich will den Namen und die Adresse.“
    „Menden ist senil“, versicherte ich aus tiefstem Herzen. „Der hat was falsch verstanden.“ Peelaert schnalzte irritiert mit der Zunge, griff links an meine Wange, zog etwas stramm und mein Unterkiefer klappte herunter, mein Mund stand sperrangelweit offen. Ich schrie.
    Peelaert schnickte einen metallenen Wippschalter um, klack, ein altersschwacher Elektromotor nahm ächzend Fahrt auf, Antriebsriemen begannen auf der Oberseite eines Schwenkarms zu flattern, und ein Bohrer in einem beinahe faustgroßen Gehäuse zu rotieren. Ich schrie. Reiff und Onkel Ali traten näher heran, blickten neugierig. Peelaert justierte noch an einer Lampe herum, griff dann zum Bohrer. Ich schrie. „Wir nehmen den da unten links“, sagte Peelaert in die Runde. „Der hat schon eine Füllung. Schließlich sind wir keine Unmenschen.“ Alle drei schienen die Bemerkung außerordentlich erheiternd zu finden. Ich schrie. Und Onkel Ben setzte den Bohrer an. Der Schmerz hatte eine Farbe bekommen, ein reines, kristallines Weiß, als Peelaert den Bohrer wieder hochhob. Mit einem Griff löste er den Riemen um mein Kinn. „Alexander Lenkering“, sagte ich mit vom Schreien rauer, entkräfteter Stimme. Da war er mir wieder eingefallen, Heckenpennes' Name. Seltsam, wie so was manchmal geht. „Alexander Lenkering, Hedgesleeper Solutions, Brunshofstraße 7-9, Mülheim an der Ruhr.“ Und jetzt geht hin und bringt ihn um, von mir aus, nur lasst von mir ab.
    Ja, denkste. Nicht Peelaert. Nicht Untersuchungsrichter Peelaert.
    „Wer weiß außer Ihnen von der Sache?“, fragte er. Noch fiappten die Riemen, noch sirrte der Bohrer. „Niemand“, sagte ich. „Ich schwöre.“
    Leyla, dachte ich flehentlich. Vergiss die zwei Stunden, Leyla, ruf an, stürz dich ans Telefon und alarmier Menden, jetzt sofort.
    „Sie lügen, Kryszinski. Wo haben Sie hier in Echternach übernachtet?“
    „Im Auto. Im Schlafsack. Auf dem Rücksitz. Ehrlich. Mach ich immer so.“
    „Sie lügen schon wieder. Wem haben Sie noch von den Fotos erzählt?“
    „Was denn für Fotos?“
    Keine Antwort. Schweigen. Schweigen und Starren.
    „Niemandem. Ehrlich nicht. Ich schwöre.“
    „Wer weiß noch, dass Sie hier sind?“
    „Keiner. Kein Mensch. Keine Menschenseele. Ehrlich.
    Ich schw...“
    „Sie haben es nicht anders gewollt.“ Der Kinnriemen riss mir das Maul wieder auf, Peelaert setzte erneut den Bohrer an. An derselben Stelle wie zuvor. Hielt drauf.
    Ich stieg aus dem Stuhl, stieß mich leicht mit den Zehen ab, schwebte sachte bis unter die Decke, blickte hinunter auf den Mann im weißen Kittel, voll konzentriert bei der Arbeit, auf die beiden Bodyguards an der Tür, die Augen schmal und schwarz geschminkt unter den Sturmhauben, sah Onkel Ali, die Miene lebhaft, interessiert, und Reiff, der den Kopf abgewandt hatte vom Geschehen unter dem Scheinwerfer, und hörte mich kreischen.
    „Leyla Muller! Leyla Muller!“ Wieder und wieder. Peelaert nahm den Bohrer aus meinem Mund und
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