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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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beauftragt, Yves und Sean Kerner zu suchen. Und ich habe das Gefühl, ich stehe kurz davor, sie zu finden.“
    „Ach, Schwachsinn.“ Keine Ausflüchte, keine Beschwörungen, kein väterliches Getue mehr, nur noch kalte Arroganz. Er machte kehrt, stapfte davon, und mich zerrte man hinterher.
    Weiter und weiter hinein in eine regelrechte Bunkeranlage, allem Anschein nach von einer Regierung oder sonstigen großen Institution erbaut, mit der Zielrichtung, hier mit einer ganzen Menge an Leuten eine Weile zu leben und zu arbeiten. Überall prangten Hinweise, Anweisungen und Verbote in Schablonenschrift, dreisprachig.
    Gänge zweigten ab, Zimmer, Büros, Lagerräume, Kammern, technische Stationen. Die meisten Türen standen offen, doch es war kein Mensch zu sehen, nirgendwo. Alles wirkte sauber und bezugsfertig, aber gleichzeitig auch extrem angejahrt. Ich sah mechanische Schreibmaschinen, kurbelgetriebene Bleistiftspitzer, Bakelittelefone mit Wählscheibe, Schreibtische ganz aus Holz und Schränke und Spinde aus handlackiertem Metall, Tischoberflächen aus Resopal, Bodenbeläge aus Linoleum. Keine Bildschirme, gleich welcher Art.
    „Wo bringen Sie mich hin?“, fragte ich Reiffs Rücken. Er antwortete nicht, sondern bog ab in eine Abteilung mit der Überschrift Höpital. Mir wurde schlagartig heiß. Reiff stieß die Tür zu einem Raum auf, mit nur einem einzigen Möbelstück darin. Ich sah es, riss mich los, verpasste dem parfümierten Schwuli einen Kopfstoß und seinem zittrigen Kollegen Shaky einen Tritt und wäre losgerannt, egal wohin, hätte mich nicht jemand zu Fall gebracht, was wirklich Scheiße ist mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Irgendwie schaffte ich ein halbe Drehung, landete auf der Seite statt auf dem Kinn und kickte und spuckte und biss um mich, bis jemand erneut die Fixe zur Anwendung brachte und Kryszinski die Luft ausging wie einem Gummiboot nach dem Kuss einer Kettensäge.
    Ah, und eh ich's vergesse: Es war ein hellbeige lackierter und mit rissigem, dunkelbraunem Leder bespannter Zahnarztstuhl, der da so einsam herumstand. Mit Riemenantrieb.
    Ich rührte mich nicht, ja, ich öffnete noch nicht mal die Augen. Letzteres freiwillig, ersteres nicht. Ich war fixiert, am ganzen Körper. Arme, Beine, Brustkorb, Kopf, selbst mein Unterkiefer war mit Riemen festgezurrt an den Stuhl, in dem ich mehr lag als saß, und ich brauchte sie nicht zu öffnen, die Augen, um zu wissen, um welchen Stuhl es sich handelte. Nackte, rohe Angst krampfte mir die Innereien zusammen. Ich atmete kaum, fest entschlossen, den Ohnmächtigen zu mimen, bis die von Leyla alarmierte Rettung eintraf, eintreffen musste, jetzt, jeden Augenblick. „No, you can't“, hörte ich Reiff sagen. „Oh, come on“, bat eine schmeichelnde, fistelige Männerstimme. „Just a sample, just a taste, a lick.“
    „No. I told you - you pay the price, you take them away.“
    Irgendjemand wollte eine Probe von irgendwas, doch Reiff rückte ohne Bezahlung nichts heraus. „But the price is too high“, beschwerte sich der andere weinerlich, „without, you know, a testride. Would you buy a car without a testride?“
    Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass die beiden hier wirklich um den Verkauf eines Autos verhandelten. Und um eine Probefahrt. „The price? Too high?“ Reiff klang sauer, jetzt. „Identical twin brothers, subteenage, natural blondes.“ Da hatten wir's: blonde Zwillinge. Dafür ist kein Preis zu hoch, auf dem internationalen Sexsklavenmarkt. „You agreed to the price, now you pay or I sell them to the next bidder.“
    Reiff hatte die Zwillinge versteigert. Offiziell als vermisst gemeldet, hier im Bunker versteckt gehalten und dann über ein Pädophilen-Ebay versteigert. An den Meistbietenden. Und der machte jetzt Zicken. Wie man es kennt. Na, von mir aus noch für Stunden. Jede noch so kleine Verzögerung erhöhte meine Chancen auf Rettung. Meine und die der Jungs. „But ...“
    „No but. Pay and leave, before the airport closes down for the night.“
    Gummibehandschuhte Finger zwangen mir plötzlich die Lider auseinander, und Onkel Ben starrte mich an, roter Zinken, Fotzenbart und alles. „Er ist wach“, stellte er fest, trat beiseite, und ich erblickte Reiff und den Mann mit der Fistelstimme. Onkel Ali. Ganz der Scheich, ganz in Weiß, Doppelkordel um den Kopfputz, flusiger Kinnbart des Gläubigen ohne wirklichen Bartwuchs um die untere Hälfte seines Vollmonds. Onkel Ben füllte wieder meinen Sichtbereich, jetzt
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