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Rotkäppchens Rache

Rotkäppchens Rache

Titel: Rotkäppchens Rache
Autoren: Jim C. Hines
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Teppiche, in die verschlungene geometrische Muster gewebt waren, bedeckten den Boden; jetzt wurden sie von großen Hufabdrücken verunziert. Die Säulen waren mit Gold geschmückt, ebenso wie die Bögen, die die hohe Gewölbedecke trugen. Jeder Deckenabschnitt war mit einem Bild von Lakhims Familie bemalt.
    Talia spannte sich an, als sie das Porträt Prinz Jihabs entdeckte. Der Künstler hatte ihn vor der verfluchten Hecke dargestellt, wie er sich mit in der Sonne glänzendem Schwert bereit machte, sich seinen Weg ins Schloss zu hacken.
    Danielle berührte Talia am Arm und deutete auf die rechte Seite des Throns, wo zwei Kinder im Schatten standen.
    Talia vergrub die Nägel in den Handballen. Sie hätte auf der Straße an ihren Söhnen vorbeigehen können und sie im Leben nicht erkannt, aber wer sonst sollten diese Kinder sein, die in die goldenen und grünen Gewänder des Adels gekleidet waren und praktisch identische Gesichter besaßen? Sie hatten die tief liegenden Augen und die eckigen Kinnladen ihres Vaters, aber ihre Gesichter waren schmaler und erinnerten Talia an ihre eigenen Brüder. Ihre Haare waren kurz geschnitten, und die dunklen Ponyfransen hingen ihnen in die Stirn. Sie hatte keine Ahnung, welcher Zwilling welcher war.
    »Talia!« Lakhim spuckte den Namen aus, als sei er ein Fluch. Die Jahre als Königin hatten ihren Tribut gefordert. Ihr Haar war grauer, ihr Gesicht runzliger, als Talia es in Erinnerung hatte. Sie saß mit leicht gekrümmtem Rücken da, was sie kleiner aussehen ließ. Sie trug ein goldenes Diadem: die Krone der Haishak, der Regentin für die Prinzen.
    Die Zwillinge starrten Talia an, und die Angst und die Verwirrung in ihren jungen Gesichtern waren unverkennbar. Sie hatten Talia nicht erkannt, aber es war klar, dass sie ihren Namen kannten.
    Danielle sprang vom Pferd. »Lakhim, ich bin Danielle Whiteshore von Lorindar. Ich bin gekommen, um mit Euch über ein Ende Eurer Blutrache gegen Prinzessin Talia zu sprechen.«
    Mit steinerner Miene starrte Lakhim Danielle an. »Diese Frau hat meinen Sohn ermordet.«
    Lakhims Worte waren von einem starken Akzent getrübt, aber sie beherrschte die Sprache Lorindars gut genug, dass Danielle sie verstand. Danielle begegnete ihrem wütenden Blick, ohne eine Miene zu verziehen. »Und Eure Attentäterin hat meine Leute ermordet. Ihre Handlungen hatten den Tod meiner Stiefschwester zur Folge.«
    »Roudette wurde geschickt, um eine Mörderin und Bedrohung für Arathea der Gerichtsbarkeit ihres Landes zuzuführen.« Mit einem hasserfüllten Blick auf Talia fügte sie hinzu: »Offensichtlich hat sie versagt.«
    »Wollen wir wirklich erörtern, wer den ersten Frevel begangen hat, Lakhim?« Danielle schritt nach vorn. Wenn Talia sie nicht gekannt hätte, hätte sie nie gemerkt, wie nervös Danielle war. Jetzt machte sich bezahlt, dass Königin Beatrice sie unter ihre Fittiche genommen hatte. »Was ist mit Talias Familie, die mit ihr in der Hecke bewahrt war? Wessen Hand hat ihnen im Schlaf die Hälse aufgeschlitzt und dabei selbst vor dem kleinsten Kind nicht haltgemacht?«
    Lakhim erhob sich. »Ihr wagt es -«
    »Zestan ist tot«, sagte Danielle, »ebenso wie Eure Attentäterin. Arathea hat die Freundschaft mit Lorindar bereits aufs Spiel gesetzt, indem es eine Mörderin in unser Land geschickt hat. Würdet Ihr diese Freundschaft um der Rache willen ganz und gar aufkündigen?«
    Die Königin änderte die Taktik. »Lorindar ist eine wunderbare Nation, aber eine kleine.«
    »Das ist wahr«, pflichtete Danielle ihr bei. »Aber Lorindar steht nicht allein. Alynn und Francon von Lyskar erklärten kürzlich, in unserer Schuld zu stehen. Nicht zu vergessen unsere engen Verbindungen zu den Undinen.«
    Lakhim winkte ihre Männer einen Schritt zurück. »Ihr würdet in meine Heimat eindringen und mein Land bedrohen? Was führt Euch zu der Annahme, dass ich Euch nicht beide für diese Einmischung töten lasse?«
    Talia strich mit der Hand über ihren Umhang. »Was führt Euch zu der Annahme, dass Eure Männer einen solchen Versuch überleben würden?«
    »Niemand wird irgendjemand umbringen!« Auch wenn Danielle nur Talia anfunkelte, galt ihre Warnung offenkundig genauso Lakhim. Sie hob die Hand und tippte das Spiegelarmband an. »Nicht, während mein Gatte durch diesen Spiegel zuhört.«
    Lakhim sah sie beide prüfend an. Talia vermeinte fast zu hören, wie sie ihre Gewinnchancen berechnete. Schließlich ließ die Königin sich wieder nieder. »Solange Talia lebt,
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