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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee
Autoren: dtv
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er selbst an der Bar. Zugleich großzügig und intrigant wusste er unter den Gästen seine Favoriten zu küren, eben solche, die treu waren und weitere Besucher mitbringen würden.
    Das »Dschingis Khan« ging buchstäblich in Rauch auf. Der Anfang vom Ende war ein Brand in der Küche, danach der Kauf neuer Ausstattung. Nach drei Einbrüchen in Folge wurden alle Zahlungen eingestellt.
    Slobodan Andersson verschwand aus Uppsala. Es hieß, er sei in Südostasien. Manche sagten, auf den Westindischen Inseln, wieder andere in Afrika. Das Gerücht kursierte, er habe dem Gerichtsvollzieher eine Postkarte geschickt. Nach einem Jahr kam er zurück, braun gebrannt und den Kopf voller neuer Projekte, der Bauch war nicht mehr ganz so umfangreich.
    Plötzlich war auch wieder Geld da, viel Geld. Es wurde gemunkelt, |13| er habe dem Gerichtsvollzieher einige hunderttausend Kronen zugesteckt. Bald schon öffnete das »Alhambra« seine Pforten. Das war Ende der Neunzigerjahre, und seither war sein Restaurantimperium stetig gewachsen.
    Das »Alhambra« war in einem älteren Haus im Stadtzentrum gelegen, in nächster Nähe zum Stora Torget. Mit Marmortreppe und gehämmertem Kupfer an der Tür, die Initialen des Besitzers sowie der Name des Lokals in schnörkeliger Schreibschrift in Silber – der Eingangsbereich war reichlich pompös geraten.
    Küchenchef Oscar Hammer unterbreitete Vorschläge zur Einrichtung des Lokals, aber die wurden mit einem Kläfferlachen zurückgewiesen.
    »Das ist zu kühl.« Slobodan Andersson strich sich über die beginnende Glatze, als er die Skizzen Oscar Hammers anschaute.
    »Das muss plüschiger werden, plus viel Gold und Kringelkrangel.«
    Und so wurde es auch. Viele fanden, der Schwulst sei so konsequent durchgehalten, dass es schon wieder Stil habe. Kleine Lampen hingen an den gold- und magentafarbenen Wänden. Drucke in breiten weißen Rahmen zeigten wie hingetuscht Motive aus der griechischen Mythologie.
    Auf alle Einwände Oscar Hammers entgegnete Slobodan Andersson: »Das Lokal heißt schließlich Alhambra.«
    Armas, seit Jahren Slobodan Anderssons Vertrauter, sorgte für das Arrangement des Restaurantteils, Tische im Rokokostil und schweres Besteck aus Neusilber.
     
    Und noch einmal stand Slobodan Anderssons Imperium vor einer Herausforderung. Dieses Mal holte er seine Inspiration von einem neuen Kontinent. Das Lokal wurde »Dakar« getauft, und zum ersten Mal stimmte alles. An den Wänden hingen Fotos aus Westafrika, manche bis zu einem Quadratmeter |14| vergrößert, mit Motiven von Märkten, von dörflichem Leben, von Sportveranstaltungen.
    Der Fotograf war ein Senegalese aus dem Süden des Landes, der die Region seit vielen Jahren bereiste und fotografierte.
    Slobodan Andersson wollte ganz groß herauskommen. Er setzte dabei auf »die feinen Pinkel«, wie er seine Zielgruppe nannte. Diese Leute sollten Svenssons »Guldkant« und »Wermlandskällaren« aufgeben und stattdessen ins »Dakar« kommen.
    »Der alte Bolschewik«, sagte er verächtlich über den Inhaber des Fischrestaurants, in dem das bürgerliche Uppsala mittags einzukehren pflegte. »In Zukunft trippeln die Tussis hierher, dafür werde ich schon sorgen. Ich werde so viele Sterne bekommen, dass die Weltpresse auf der Straße Schlange steht. In Lehrbüchern wird man meine Speisekarten als Beispiele für vollendete Kochkunst abdrucken.«
    Slobodan Anderssons Visionen und seine Überzeugung, Uppsala und die Welt in Erstaunen versetzen zu können, waren schier grenzenlos.
    »Ich brauche Köche!«, rief er beim ersten Treffen mit Hammer und Armas.
    »In erster Linie brauchst du mal Geld«, warf Hammer ein.
    Slobodan sah ihn nur kurz von der Seite an, und der Küchenchef erwartete die üblichen verbalen Ausfälle, die auf Einwände immer kamen. Aber statt der gewohnten bitterbösen Reaktion lachte Andersson.
    »Dafür ist gesorgt«, sagte er.

|15| 3
    M al wieder unterwegs«, murmelte Johnny Kvarnheden und drehte die Anlage im Auto lauter. Die untergehende Sonne badete im Vättersee. Die Insel Visingö sah wie ein schlankes Kriegsschiff auf Kurs nach Süden aus, und die Fähre hinüber nach Gränna glich einem Käfer, der über einen goldenen Fußboden krabbelt.
    Seine Flucht hatte etwas Filmreifes, als hätte ein Regisseur seine Wehmut in Szene gesetzt. Selbst Beleuchtung und Musik stimmten. Er war sich dessen bewusst und steuerte, genauer: ließ sich von dem Klassischen der Szene steuern und einfangen. Ein einsamer Mann, der sein
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