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Rost

Titel: Rost
Autoren: Philipp Meyer
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Mitte kam, es rauschte wieder, er bewegte sich, und dann war er
hellwach, er hörte sich laut schreien.
    »Halten Sie ihn«, hörte er jemanden rufen, und er wusste, dass sie
ihn meinten, nein, sagte er zu ihnen, nein nein nein nein, und dann spürte er,
wie es nach unten ging und unten drunter.
    Als er auftauchte, war er in einem anderen Raum. Sehr helles Licht.
Da war jemand, nah über ihm. Sie machten irgendwas mit seinem Kopf. Stopp,
sagte er, aber kein Laut kam raus. Stopp, sagte er, aber die Lippen wollten
sich nicht regen, und dann hatte er was über dem Gesicht. Er wollte es beiseite
schieben, doch er konnte nicht. Sein Arm wollte sich nicht bewegen. Irgendwas
machten sie da mit ihm. Er konnte etwas riechen, ja, das war verbranntes Haar,
sie machten etwas mit ihm. Er ist wach, sagte jemand. Ich seh’s, sagte ein
anderer, und dann spürte er dieses kribbelnde Rauschen, das seinen Arm
hochkroch. Das hab ich schon einmal gespürt, dachte er, und dann war er wieder
unter Wasser.
    ***
    Als er zum dritten Mal auftauchte, war es dunkel. Ihm fiel ein,
dass er sich nicht aufrichten sollte. Er sah an sich runter undversuchte,
sich nicht allzu viel zu rühren. In einem Bett. Decken über mir. Auf einer
Seite hing ein IV -Beutel, auf der anderen war ein
Fenster, durch das gelbes Licht hereinschien, und er dachte, das sieht aus wie
Häuser, draußen. Es stand noch ein zweites Bett im Raum, und jemand schnarchte.
Ruhe, sagte er, dann kriegte er ein schlechtes Gewissen. Da standen piepende
und zirpende Maschinen. Ruhe, flüsterte er. Ich werde mich aufrichten. Die
können mich nicht daran hindern. Er bewegte sich, dann kehrte überall der
Schmerz zurück, dann schlüpfte er darunter.
    Bleib da, bleib da unten, dachte er. Beweg die Zehen. Seine Füße
konnte er nicht sehen. Er versuchte, einen Arm zu bewegen, aber der konnte
nirgendwohin, er sah hin, er sah, dass er mit einer Handschelle am Bettgeländer
hing. Er spürte in der Brust und an den Seiten einen tiefen Schmerz, doch atmen
konnte er jetzt. Meinen Kopf haben die völlig eingewickelt. Er berührte ihn. Da
kommt ja was aus meinem Kopf. Es war ein Schlauch, ein Plastikschlauch, der aus
dem Hinterkopf kam. Bleib da unten. Nach einer Minute fiel ihm ein: Ich bin am
Leben.

6 . Isaac
    Als er durch die Tür kam, saß ein Cop hinter dem Tisch, der
kleine Asiate von dem Abend, als sie ihn und Poe erwischt hatten, bei der
Maschinenhalle. Er trank Kaffee und sah aus, als hätte er seit Tagen nicht
geschlafen.
    »Ich muss mit Chief Harris reden«, sagte Isaac.
    Ho sah ihn an. »Er ist jetzt nicht zu sprechen.«
    Bitte sehr, dein Vorwand, dachte Isaac. Aber dann sagte er: »Sein
Truck steht draußen. Sagen Sie ihm, Isaac English ist da.«
    Ho stand widerstrebend auf, verschwand in einem Korridor. Isaacs
Blick folgte ihm: deine letzte Chance . Aber er
wusste, dass er sich nicht mehr entziehen würde. Es gab einfach keinen anderen
Weg.
    Dann kehrte Ho zurück. »Die Tür am Ende.«
    Isaac ging unbegleitet durch den Korridor und klopfte an die Stahltür,
dann, er wusste nicht warum, machte er auf, bevor er eine Antwort hörte. Großes
Zimmer, dachte er, und eigenartig, zwar dieselben Blähbetonwände und Neonlampen
wie im restlichen Gebäude, doch das Mobiliar war komplett Holz und Leder, und
es hingen Bilder an den Wänden. Harris saß auf einem Sofa, eine Decke um die
Schultern. Er war blass, sein Haar verstrubbelt, eine seiner Hände war geschient.
    »Du bist wieder in der Stadt.«
    »Ich stelle mich.«
    »Holla!« Harris hob die Hand, um Isaac zu stoppen, stand vorsichtig
auf, ganz offenkundig unter Schmerzen, und ging an die Tür. Er sah nach
draußen, machte sie dann wieder zu und schloss ab. »Setz dich, komm.« Er zeigte
auf das Sofa. Isaac setzte sich auf die eine Seite, Harris auf die andere.
    Isaac sagte: »Billy Poe hat diesen Obdachlosen nicht getötet.«
    Harris wirkte niedergeschlagen. Er sackte in die Kissen zurück,
schloss die Augen. »Bitte sag jetzt nichts mehr«, bat er Isaac leise.
    »Ich sage Ihnen grad die Wahrheit.«
    »Nein, das tust du nicht.«
    »Billy und ich waren –«
    Doch Harris beugte sich plötzlich zu Isaac und packte ihn am Hemd,
wie es ein älterer Bruder tun mochte. Dann hielt er eine Hand fast über Isaacs
Mund. Seine Haut war blass und schwitzig, und sein Atem roch sauer.
    »Der Staatsanwalt hat mich gerade angerufen, um mir mitzuteilen,
dass die beiden Männer, die an jenem Abend auch in der Fabrik waren, tot
aufgefunden wurden.« Harris
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