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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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für einen
Schuss. Er sah auf die Uhr wie immer, wenn sich etwas Ungewöhnliches ereignete.
Es war zweiundzwanzig Uhr zweiundvierzig. Am 22. September 2009.

SECHS
    Zur selben Zeit an diesem Dienstagabend ereignete sich
Folgenschweres im Gemeinderat von Aschbach. Der Ausschuss tagte im Sitzungssaal
des Rathauses. Es wollte heut kein Ende nehmen. Seit neunzehn Uhr saßen sie schon
und redeten sich die Köpfe heiß.
    »Freilich ist das Ehepaar Gubkin ein großer Gönner von uns«, sagte
Alois Engel, der Bürgermeister. Er trug eine Brille, sein linker Arm war bis
über den Ellenbogen amputiert. »Gerade hat er eine Spende für den neuen Kindergarten
überwiesen …«
    »… und für die Orgelrenovierung«, fuhr Andi Wildschitz
dazwischen. Als Zweiter Bürgermeister saß er am Kopfende neben Engel. »Aber die
Hauptsache bringt ja sie ein, die Frau Gubkinowa. Was glaubts, Männer, wie viel
Geld da heut wieder bei ihrer Charity reinkommt? Das allermeiste davon kommt
wieder uns zugute. Na gut, sie hat auch noch dieses Schülerprojekt.«
    Es war Andi anzusehen, wie stolz er auf seine enge Beziehung zu den
Gubkins war. Er machte auch gar keinen Hehl daraus, schließlich sprang ja
ordentlich was für die Gemeinde raus. Und wo war der Unterschied, ob man in
Bayern, so wie der Bürgermeister, die Strauß-Familie gut kennt und den Seehofer
oder wie er, der Andi, eben die stinkreichen Gubkins.
    »Das stimmt«, sagte der Kämmerer und nickte heftig. »Allein die
Gäste, die wo da sind. Allein die Klitschkos und die Schauspielerin da, die
Antonia, äh, die …«
    »Veronica Ferres«, half ihm einer aus.
    »Ja«, meldete sich Alois Engel wieder zu Wort und wischte mit einem
Tuch über seine Glatze. Er schwitzte oft und viel, was bei seiner Figur kein
Wunder war. »Ja, das ist aber noch lang kein Grund net, dass wir deswegen das
Gesetz und die Vorschriften verbiegen. Also ich sag’s euch: Wir können dort
oben in dem Tal keine Gewerbeflächen zimmern. Nie und nimmer. Jedenfalls jetzt
noch net.«
    Er nahm Andi Wildschitz aufs Korn. »Der Gubkin hilft uns sehr. Und
du, Andi, bist unser Feuerwehrkommandant, spielst in der Blasmusi, bist
Mitglied im Kirchenrat und Vorsitzender vom Rechnungsprüfungsausschuss –
hab ich alles getroffen, ja? Ihr habt alle eure Verdienste. Aber das sind zwei
Paar Schuh. Hier geht’s um Vorschriften und Gerechtigkeit. Da lass ich net
locker, verstehst?«
    »Genau!«, pflichtete ihm der Kämmerer bei. »Des hätt net amal der
König Ludwig gschafft. Net in dem Tal da droben, im Nonnenwald. Koane Gewerbe-
und scho glei koane Baulandflächen net.«
    Andi kraulte sein Kinn. Er wusste, was Felix Gubkin zu ihm sagen
würde, wenn er mit diesem Null-Ergebnis zurückkäme. Er nahm seinen Mut zusammen
und erhob sich. In seinen dunklen Augen standen Flammen.
    »Liabe Leit«, sagte er und schaute in die Runde. »Wir müssen doch
langfristig denken. Aschbach muss sich weiterentwickeln. Wir haben hier die
einmalige Chance, einen Investor an uns zu binden, der uns wohlgesinnt ist. Ein
Globalisierer, der wo uns fördert, der wo Aschbach unter die Arme greift. Sein
geplantes BioMed-Projekt ist doch ein Riesenhit. Er will einen Standort für
eine zukunftsweisende Forschung errichten: die Biotechnologie. Er hat
Verbindungen in die ganze Welt, betreibt schon ein Forschungszentrum in
Russland. Und will jetzt halt ein Stückerl Land nutzen, das ihm eh gehört. Was
kann daran falsch sein? Oder gefährlich? Wollt ihr das verhindern?«
    Andis Ratskollegen schauten sich an. Der Bauer, der Schulrat, der
Metzgermeister, die Versicherungsmaklerin, die Wirtin, der Orthopäde.
    »Da könntmer ja glei a Atomkraftwerk bauen.« Nur dieser eine Einwand
kam.
    Andi Wildschitz merkte an den Blicken und Gesten, wie bereits jetzt
die Stimmung umzuschlagen begann. Er musste noch eins draufsetzen.
    »Wollen wir diese einmalige Chance verspielen? Alois …«, er
wandte sich an den Bürgermeister, »… ich kann dich ja verstehen. Du bist
hier so was wie unser Sheriff. Oder besser gesagt, du fühlst dich wie unser Sheriff …«
    Belustigtes Raunen im Sitzungssaal.
    Wildschitz konnte seine Show in solchen Situationen durchaus
charmant abziehen. Er spielte diese Kunst voll aus. Die Lachfalten um seine
Augen zuckten.
    »… und das ist ja auch okay. Doch wir müssen an die Zukunft
denken. Wir als Gemeinde können mit Gubkin eine Zukunft haben wie im Paradies.
Alois, du warst ein begnadeter Fußballer. Denk doch mal an Chelsea. Chelsea war
ein
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