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Rosen und der Tod)

Rosen und der Tod)

Titel: Rosen und der Tod)
Autoren: Isadorra Ewans
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schluckte. „Ein Feuerzeug, bitte“, ergänzte ich meine Bestellung und die ältere Dame hinter dem Tresen musterte mich. „Sonst noch was?“ Ich sah auf, dachte nach und bestellte für Lissy einen Tee. Das Gebräu, das mir die Dame reichte, hatte nur in Bezug auf seine Farbe Ähnlichkeit mit Tee. Es roch bitter und abgestanden. Nachdem ich gezahlt hatte – den Becher in der Hand, die Zigaretten in der Tasche – blieb ich in der Eingangshalle stehen und wieder schien mich die Tür zu rufen . „Nur zwei kleine Schritte, Rosalie, dann kannst du das tun, wozu du jetzt Lust hast … Weglaufen. Ganz weit und du hältst erst an, wenn dir danach ist und du weit genug entfernt von allem bist. Komm, Rosalie, komm.“ Ich machte auf dem Absatz kehrt, ging zum Aufzug und wartete. Immer wieder sah ich zur Tür, und das Mistding schien zu lächeln. Die Zahlen über der Tür des Aufzugs wechselten viel zu langsam auf meine Etage. Als sie sich schließlich öffneten, stieg ich so schnell wie möglich ein. Es war eine Flucht. Eine Flucht vor der Ausgangstür, die mich locken wollte. Nachdem ich Lissy ihren Tee gebracht hatte, erfahren hatte, dass Jonas immer noch nicht von der Untersuchung zurück war, ging ich erneut in Richtung Treppenhaus. Nach unten konnte ich nicht. Da war diese Tür, die mich holen und weglaufen lassen wollte. Also blieb mir nur der Weg nach oben. In diesem Moment fragte ich mich, warum Flüchtige in Filmen immer nach oben liefen. Sie mussten doch wissen, dass von dort kein Entkommen war. Langsam stieg ich hinauf, und als ich vollkommen außer Atem oben ankam, hielt ich kurz inne. „Was tust du hier, Rosalie“, fragte ich mich. „Keine Ahnung“, sagte ich halblaut und drückte die Klinke der schweren Feuerschutztür herunter. Kalter Wind blies mir entgegen, als ich die schwere Tür öffnete. Ich trat aus dem Treppenaufgang heraus und befand mich mitten in einem amerikanischen Gangsterfilm. Einem Plateau ähnlich breitete sich das oberste Geschoss vor mir aus. Ein Hubschrauberlandeplatz war mit einem Kreis gekennzeichnet, der zum einen aus einer Linie und zum anderen aus Scheinwerfern bestand, die den Piloten in der Dunkelheit den Weg weisen würden. Dieses Plateau war umrandet von einem ca. anderthalb Meter hohen Mauerwerk. „Für Selbstmörder wie geschaffen“, sagte ich zu mir. Langsam ging ich hinüber, kletterte auf das Mäuerchen und ließ die Beine baumeln. Umständlich zündete ich mir eine Zigarette an, blies den Rauch aus. Dieser Platz hier oben war wie geschaffen für Selbstgespräche, die in ein Bad aus Selbstmitleid führten. „Versuch es objektiv zu sehen, Rosalie“, sagte ich. London bereitete sich auf eine weitere Nacht vor. Die ersten Lichter in den Straßen schalteten sich an. Die Fenster in den Bürotürmen wurden eines nach dem anderen beleuchtet, und der Himmel über der Stadt tauchte in ein dunkles Blau ein, das an einigen Stellen von orangen Streifen und einem Hauch von Grau durchbrochen wurde. Objektiv sehen? Dass ich nicht lache! Ich hatte einmal ein Leben geführt, das überschaubar war. Nun war es eine Ansammlung von Katastrophen und hausgemachten Problemen. Hausgemacht. Das war das Stichwort. Selbst wenn ich noch so sehr gesucht hätte: Ich hätte niemandem die Schuld an meiner Misere in die Schuhe schieben können. Ich beugte mich vor, ließ meine Kippe fallen und sah auf die Menschen unter mir, die wie Playmobil-Figuren wirkten. Wie schafften diese Menschen es, ihr Leben in den Griff zu bekommen und so zu leben, dass es ihnen nicht unter den Füßen wegbrach? Meine Haare wehten mir ins Gesicht und ich versuchte, sie mit einem Knoten zu bändigen. Doch der Wind hier oben war so heftig, dass der Versuch schon beim Gedanken scheiterte. Außerdem wurde es kalt. Aber wenn ich zurückging, dann würde ich mich der Realität stellen müssen. Eben diese besagte nun einmal, dass Jonas – mein Vater, der er offiziell nie sein konnte – zwischen Leben und Tod hing. Wollte ich das sehen? Wollte ich der Gefahr ins Auge sehen? Der Gefahr, demnächst noch einsamer zu sein, als ich es bisher schon war? Es half nichts: Ich musste wieder hinunter. Außer mir war niemand da und so bildete ich mir ein, dass ich Lissy wenigstens etwas zur Seite stehen konnte. Auch wenn ich eher ein Häufchen Elend, denn ein Fels in der Brandung war. Mit Schwung holte ich meine Beine zurück aus der vermeintlichen Freiheit der Bodenlosigkeit und ging langsam zurück. Wieder kam es mir vor, als wäre ich
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