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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter
Autoren: Astrid Lindgren
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hübsches, kleines Mädchen gesehen, gebt's nur zu!«
    Die Räuber nickten und gaben es zu. Unterdessen saß Ronja mit ihren Zapfen und Steinchen still unter dem Tisch und spielte, und wenn sie die Räuberfüße in ihren zottigen Fellschlappen sah, spielte sie, daß sie ihre bockigen Ziegen wären.
    Solche hatte sie im Ziegenstall gesehen, wohin Lovis sie zum Melken mitgenommen hatte.
    Aber viel mehr hatte Ronja in ihrem kurzen Leben kaum gesehen. Von dem, was es außerhalb der Mattisburg gab, wußte sie nichts. Aber eines schönen Tages sah Mattis ein - wie sehr es ihm auch mißfiel -, daß die Zeit gekommen war.
    »Lovis«, sagte er zu seiner Frau, »unser Kind muß lernen, wie es ist, im Mattiswald zu leben. Laß Ronja hinaus!« »Schau an, hast du das endlich auch begriffen?« sagte Lovis. »Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre sie schön längst draußen.«
    Und damit hatte Ronja die Erlaubnis, frei herumzustreunen, wie sie wollte.
    Vorher aber ließ Mattis sie dies und jenes wissen.
    »Hüte dich vor den Wilddruden und den Graugnomen und den Borkaräübern«, sagte er.
    »Woher soll ich wissen, wer die Wilddruden und die Graugnomen und die Borkaräuber sind?« fragte Ronja. »Das merkst du schon«, antwortete Mattis.
    »Na, dann«, sagte Ronja.
    »Und dann hütest du dich davor, dich im Wald zu verirren«, sagte Mattis.
    »Was tu ich, wenn ich mich im Wald verirre?« fragte Ronja. »Suchst dir den richtigen Pfad«, antwortete Mattis. »Na, dann«, sagte Ronja.
    »Und dann hütest du dich davor, in den Fluß zu plumpsen«, sagte Mattis.
    »Und was tu ich, wenn ich in den Fluß plumpse?« fragte Ronja.
    »Schwimmst«, sagte Mattis. »Na, dann«, sagte Ronja.
    »Und dann hütest du dich davor, in den Höllenschlund zu fallen«, sagte Mattis.
    Er meinte den Abgrund, der die Mattisburg in zwei Hälften teilte.
    »Und was tu ich, wenn ich in den Höllenschlund falle?« fragte Ronja.
    »Dann tust du gar nichts mehr«, antwortete Mattis und stieß ein Gebrüll aus, als säße ihm alles Übel der Welt in der Brust. »Na, dann«, sagte Ronja, nachdem Mattis ausgebrüllt hatte. »Dann falle ich eben nicht in den Höllenschlund. Sonst noch was?«
    »O ja«, sagte Mattis. »Aber das merkst du schon selber so allmählich. Geh jetzt!«

2.
    UND RONJA GING. IHR WÜRDE BALD KLAR, WIE DUMM SIE gewesen war. Wie hatte sie nur glauben können, daß die große Steinhalle die ganze Welt sei? Nicht einmal die gewaltige Mattisburg war die ganze Welt. Nicht einmal der hohe Mattisberg war die ganze Welt nein, die Welt war viel größer. Sie war so, daß einem der Atem stockte. Natürlich hatte Ronja gehört wie Mattis und Lovis über das sprachen, was es außerhalb der Mattisburg gab. Vom Fluß hatten sie gesprochen. Aber erst als sie ihn mit seinen wilden Strudeln tief unter dem Mattisberg hervorschäumen sah, begriff sie, was Flüsse waren. Vom Wald hatten sie gesprochen. Aber erst, als sie ihn so dunkel und verwunschen mit all seinen rauschenden Bäumen sah, begriff sie, was Wälder waren. Und sie lachte leise, weil es Flüsse und Wälder gab. Es war kaum zu glauben - wahr und wahrhaftig, es gab große Bäume und große Gewässer, und alles war voller Leben, mußte man da nicht lachen!
    Sie folgte dem Pfad geradewegs hinein in den wildesten Wald und kam zum Weiher. Weiter durfte sie nicht gehen, hatte Mattis gesagt. Und der Weiher lag dort schwarz zwischen dunklen Tannen, nur die Seerosen auf dem Wasser leuchteten weiß. Ronja wußte nicht, daß es Seerosen waren, aber sie sah sie lange an und lachte leise, weil es sie gab. Dort am Weiher blieb sie den ganzen Tag und tat vieles, was sie noch nie ausprobiert hatte. Sie warf Tannenzapfen ins Wasser und lachte, als sie merkte, daß sie davonschaukelten, wenn sie nur mit den Füßen plätscherte. Soviel Spaß hatte sie noch nie gehabt! Ihre Füße fühlten sich so froh und frei an beim Plätschern und noch froher beim Klettern. Um den Weiher lagen große, bemooste Findlinge zum Hinaufklettern, und dort standen Fichten und Kiefern zum Hangeln. Ronja kletterte und hangelte, bis die Sonne über den waldigen Bergrücken zu sinken begann. Da aß sie das Brot und trank Milch aus der Holzflasche, die sie in einem Lederbeutel mitgenommen hatte. Danach legte sie sich ins Moos, um eine Weile auszuruhen, und hoch über ihr rauschten die Bäume. Sie guckte hinauf und lachte leise, weil es sie gab. Dann schlief sie ein.
    Als sie erwachte, war es schon dunkler Abend, und sie sah die Sterne über
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