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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter
Autoren: Astrid Lindgren
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endlich lernen die meisten Kinder kriechen, meinte Lovis, ohne daß darüber laut frohlockt wird und ohne daß ihr Vater deshalb alles stehen und liegen läßt und sogar seine Arbeit vernachlässigt.
    »Soll es etwa dahin kommen, daß Borka sogar hier im Mattiswald die Räuberei übernimmt?« fragte sie grimmig, wenn die Räuber mit Mattis an der Spitze zur Unzeit heimgestürmt kamen, nur weil sie es nicht verpassen wollten, wie Ronja ihren Brei aß, bevor Lovis sie für die Nacht in die Hängewiege legte.
    Doch auf solch Geschwätz hörte Mattis nicht. » Ronjakind, mein Täubchen«, schrie er, wenn Ronja ihm mit Hilfe des linken Fußes quer durch die Halle entgegengewieselt kam, sobald er die Tür öffnete. Und dann saß er mit seinem Täubchen auf dem Schoß da und fütterte es mit Brei, und seine zwölf Räuber schauten ihm zu. Der Napf mit dem Brei stand ein Stückchen entfernt auf der Herdkante, und da Mattis mit seinen groben Räuberpratzen etwas tolpatschig war, schwappte viel Brei auf den Boden. Außerdem versetzte Ronja dem Löffel hin und wieder einen Schubs, so daß eine Menge Brei in Mattis' Augenbrauen landete. Als es das erste Mal geschah, lachten die Räuber so dröhnend, daß Ronja erschrak und anfing zu weinen. Doch bald kam sie dahinter, daß sie damit etwas Lustiges entdeckt hatte, und tat es gern immer wieder, was die Räuber mehr ergötzte als Mattis. Aber sonst fand Mattis alles, was Ronja sich einfallen ließ, geradezu einzigartig und sie selbst schlechthin unvergleichlich auf Erden.
    Selbst Lovis mußte lachen, wenn sie Mattis dort sitzen sah mit seinem Kind auf dem Schoß und Brei in Bart und Augenbrauen.
    »Du liebe Zeit, Mattis, wer wurde glauben, daß du der mächtigste Räuberhauptmann in allen Bergen und Wäldern bist? Wenn Borka dich so sähe, würde er sich vor Lachen in die Hosen pinkeln.«
    »Das würde ich ihm bald austreiben«, antwortete Mattis ruhig.
    Borka, das war der Erzfeind, so wie Borkas Vater und Großvater die Erzfeinde von Mattis‘ Vater und Großvater gewesen waren. Ja, seit Menschengedenken hatten sich die Borkasippe und die Mattissippe in den Haaren gelegen. Räuber waren sie allesamt seit Urzeiten gewesen und der Schrecken aller ehrbaren Leute, die mit Pferd und Wagen voller Lasten durch die tiefen Wälder ziehen mußten, wo die Räuber hausten. »Gott steh dem bei, der durch die Räuberschlucht muß«, pflegten die Leute zu sagen, und damit meinten sie den Engpaß zwischen dem Borkawald und dem Mattiswald. Dort lagen stets Räuber auf der Lauer. Und ob dies nun Borkaräuber oder Mattisräuber waren, das war gehupft wie gesprungen, das machte für den, der ausgeraubt wurde, keinen Unterschied. Für Mattis und Borka aber machte es einen großen Unterschied. Die beiden Räuberbanden kämpften erbittert um die Beute und beraubten einander dreist, wenn nicht genug Fuhren durch die Räuberschlucht kamen. Von all dem wußte Ronja nichts, dazu war sie noch zu klein. Sie ahnte nicht, daß ihr Vater ein gefürchteter Räuberhauptmann war. Für sie war er nur der bärtige, gutmütige Mattis, der lachte und sang und schrie und sie mit Brei fütterte. Ihn hatte sie lieb.
    Sie wuchs mit jedem Tag und begann so allmählich, die Welt um sich herum zu erforschen. Lange glaubte sie, die große Steinhalle sei die ganze Welt. Und dort fühlte sie sich wohl, dort saß sie so geborgen unter der langen Tafel und spielte mit Tannenzapfen und Steinchen, die Mattis ihr mitbrachte. Und die Steinhalle war wahrlich kein übler Platz für ein Kind. Viel Spaß konnte man dort haben, und viel lernen konnte man dort auch. Ronja gefiel es, wenn die Räuber abends vor dem Feuer sangen. Still hockte sie dann unter dem Tisch und lauschte, und schließlich konnte sie alle Räuberlieder auswendig. Dann fiel sie mit glockenheller Stimme ein, und Mattis staunte über sein einzigartiges Kind, das so schön singen konnte. Auch das Tanzen brachte sie sich selber bei. Denn wenn die Räuber so recht in Schwung kamen, tanzten und hopsten sie wie närrisch durch den Saal, und Ronja guckte es ihnen schnell ab. Bald tanzte und hopste auch sie und machte Räubersprünge zu Mattis' großem Vergnügen. Und wenn sich die Räuber danach auf den Bänken an der langen Tafel niederließen, um sich mit einem Humpen Bier zu erfrischen, prahlte er mit seiner Tochter. »Sie ist schön wie eine kleine Drude, gebt's nur zu! Genauso rank und schlank, genauso dunkeläugig und genauso schwarzhaarig. Noch nie habt ihr so ein
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