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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition)
Autoren: Imre Kertész
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auch noch die Tür vor der Nase zumachte, fragte ich gleich: «Ist Bandi Citrom zu Hause?» Sie sagte: «Nein.» Ich fragte, ob er bloß jetzt nicht hier sei, im Moment, worauf sie, den Kopf ein wenig schüttelnd und die Augen kurz zudrückend, sagte: «Überhaupt», und erst als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte ich, dass ihre unteren Augenwimpern ein bisschen feucht glänzten. Ein wenig verzog sich auch ihr Mund, und da dachte ich, es wäre wohl am besten, wenn ich mich so schnell wie möglich wieder davonmachte – doch da ist auf einmal aus dem Dämmer des Flurs eine magere alte Frau mit Kopftuch und dunklem Kleid aufgetaucht, und so musste ich auch ihr noch sagen: «Ich habe Bandi Citrom gesucht», und auch sie sagte: «Er ist nicht zu Hause.» Doch sie meinte: «Kommen Sie ein andermal wieder. In ein paar Tagen vielleicht …», und da bemerkte ich, wie die jüngere Frau mit einer seltsamen, abwehrenden und gleichzeitig doch irgendwie kraftlosen Bewegung den Kopf etwas abwandte, während sie den Handrücken an den Mund hob, als wollte sie ein hervordrängendes Wort, einen Laut unterdrücken, gewissermaßen ersticken. Dann musste ich noch der alten Frau berichten: «Wir waren zusammen», und dazu erklären: «in Zeitz», und mich auf ihre irgendwie strenge, fast schon Rechenschaft fordernde Frage hin: «Und warum sind Sie nicht zusammen nach Hause gekommen?», fast schon verteidigen: «Wir sind getrennt worden. Und dann hat man mich an einen anderen Ort gebracht.» Und sie wollte auch noch wissen: «Sind denn noch Ungarn draußen?», und ich habe geantwortet: «Aber ja, viele.» Worauf sie, mit einer Art sichtlichen Triumphs, zu der jungen Frau sagte: «Siehst du!» und zu mir: «Ich sage ja immer, dass sie erst jetzt zu kommen beginnen. Aber meine Tochter hat keine Geduld, sie will es nicht mehr glauben …», und ich hätte beinahe gesagt, dass sie nach meiner Ansicht sicher die Klügere sei und Bandi Citrom besser kenne, aber ich schwieg dann doch lieber. Sie hat mich dann auch noch eingeladen hereinzukommen, aber ich habe gesagt, ich müsse zuerst nach Hause. «Bestimmt warten Ihre Eltern auf Sie», meinte sie, und ich habe geantwortet: «Aber ja.» – «Na dann», hat sie noch bemerkt, «gehen Sie schnell, damit sie sich freuen», und so bin ich dann auch gegangen.
    Am Bahnhof habe ich die Straßenbahn genommen, weil ich mein Bein sehr zu spüren begann, nun, und weil unter vielen auch eine mit der von einst bekannten Nummer kam. Eine dürre alte Frau mit einem merkwürdigen altmodischen Spitzenkragen rückte auf der offenen Plattform ein wenig von mir ab. Bald ist dann ein Mann mit Mütze und Uniform gekommen und hat meine Fahrkarte verlangt. Ich sagte ihm, dass ich keine habe. Er schlug vor, ich solle eine lösen. Ich sagte, ich käme aus der Fremde und hätte kein Geld. Da sah er meine Jacke an, dann mich, dann auch die alte Frau, und schließlich gab er mir zu verstehen, dass die Benutzung von Verkehrsmitteln Vorschriften unterworfen sei, und diese Vorschriften habe nicht er erfunden, sondern diejenigen, die über ihm säßen. «Wenn Sie keine Fahrkarte lösen, müssen Sie aussteigen», war seine Ansicht. Ich sagte ihm, dass mir aber das Bein schmerze, worauf sich die alte Frau abwandte und in die Gegend hinausschaute, das aber irgendwie so beleidigt, als hätte ich es, weiß Gott, warum, ihr zum Vorwurf gemacht. Doch da kam aus dem Wageninnern, schon von weitem lärmend, ein stattlicher, schwarzhaariger, zerzauster Mensch herausgetrampelt. Er trug ein offenes Hemd, einen hellen Leinenanzug, eine schwarze, an einem Riemen von seiner Schulter hängende Schachtel und in der Hand eine Aktentasche. Was denn das sei, schrie er und befahl: «Geben Sie mir eine Fahrkarte!», während er dem Schaffner ein Geldstück reichte oder besser: hinstieß. Ich versuchte, ihm zu danken, doch er unterbrach mich und blickte erregt in die Runde: «Es müssten sich eher gewisse Leute schämen», sagte er, doch der Schaffner war schon im Wageninnern, die alte Frau aber schaute nach wie vor hinaus. Darauf wandte er sich an mich, das Gesicht jetzt milde: «Kommst du aus Deutschland, mein Junge?» – «Ja.» – «Aus dem Konzentrationslager?» – «Natürlich.» – «Aus welchem?» – «Aus dem in Buchenwald.» Ja, er hatte davon gehört, wusste auch, dass es «einer der Kreise des Nazi-Infernos» war, so hat er sich ausgedrückt. «Von wo haben sie dich verschleppt?» – «Aus Budapest.» – «Wie lange warst du
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