Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Shari Low
Vom Netzwerk:
Tagesform lag das Ergebnis irgendwo zwischen Shirley Bassey (optimal) und dem seltsamen Wissenschaftstypen aus Zurück in die Zukunft (ein Look, den wir eher zu vermeiden versuchten).
    »Hör mal, warum lässt du den Kopf so hängen? Du meine Güte, nein! Du hast doch nicht etwa mit ihm geschlafen? Doch, du hast. Und dann hat er dich sitzen lassen. Und du bist schwanger. Ich werde dieses Schwein umbringen. Warte nur, bis …«
    Und das alles, bevor ich auch nur die erste Strähne aufgedreht hatte. Wenn ich sie jetzt nicht stoppte, würde die Geschichte so weit eskalieren, bis Gary der Penis amputiert war und sie wegen schwerer Körperverletzung im Knast saß.
    »Ich habe nicht mit ihm geschlafen.«
    »Oh! Möchtest du eine Karamellwaffel?«
    »Nein, danke!«
    Es gelang mir, ein paar Wickler festzustecken, ehe sie sich neu zum Angriff formiert hatte.
    »Also, warum lässt du den Kopf so hängen? Mach dir wegen der Geschichte mit der Polizei keine Sorgen! Das passiert uns allen mal. Und ich erzähle dir nicht, was ich damals anstellen musste, um da rauszukommen.«
    Ich beschloss, nicht nachzufragen und mich stattdessen auf die aktuelle Situation zu konzentrieren.
    »Das ist es nicht«, antwortete ich und ließ jetzt wirklich den Kopf hängen. »Es ist nur so … man hat mir einen Fulltimejob im Friseursalon angeboten.«
    »Und? Nimmst du ihn an?« Ich hörte leichte Besorgnis aus ihrer Stimme. So war Josie immer – sie zögerte, und das gab mir Zeit, meine Optionen zu durchdenken, mir eine fundierte Meinung zu bilden, mich zu entscheiden … bevor sie dann wie der Teamführer eines Sondereinsatzkommandos losstürmte und mir unmissverständlich klarmachte, was ich zu tun hatte.
    Seit meinem vierzehnten Geburtstag arbeitete ich samstags und nach der Schule in dem Friseursalon. Obwohl ich die Jüngste war, behandelten mich die anderen Mädels dort, als wäre ich eine von ihnen. Ich genoss das. Ich genoss den Klatsch und Tratsch, ich genoss es, dass es nie langweilig wurde, und ich genoss es, dass immer laute Musik lief, außer wenn die alte Mrs. Welsh da war, die angeblich von den Vibrationen Krampfanfälle bekam.
    Eine Weile dachte ich über andere Jobs nach. Vielleicht als Übersetzerin (die Tatsache, dass ich gerade so durch die Französischprüfung gekommen war, mal außer Acht gelassen). Oder als Krankenschwester (die Tatsache, dass ich bei allem, was auch nur entfernt an Blut erinnerte, in Ohnmacht fiel, einmal außer Acht gelassen). Oder als Journalistin. Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich in der Lage sein würde, bei jemandem, der gerade durch eine Massenkarambolage die ganze Familie verloren hatte, an der Haustür zu klingeln und um ein Interview zu bitten. Außerdem würde das bedeuten, dass ich für vier Jahre aufs College musste. Aber Universität und College kamen auch deshalb nicht in Frage, weil meine Eltern mir klipp und klar gesagt hatten, dass sie keine weitere dieser unsinnigen Bildungsmaßnahmen unterstützen würden. Und mal ganz ehrlich: Je eher ich einen Job hatte, desto schneller kam ich aus dem Haus und konnte endlich ein eigenes Leben beginnen.
    Andererseits hatten nicht mal vierzig Pfund pro Woche für ständiges Stehen und Einatmen von ätzender Dauerwellflüssigkeit durchaus auch Schattenseiten. Die Arbeitstage waren lang. Und die Bezahlung – da machte ich mir nichts vor – war dürftig.
    »Bei diesem Gehalt kann ich mir nicht mal leisten auszuziehen.« Es dauerte eine Weile, ehe mir klar wurde, dass ich das laut ausgesprochen hatte.
    Das war das Problem. Seit Jahren freute ich mich auf den Tag, an dem ich endlich ausziehen, diese Stadt verlassen und ein neues Leben beginnen könnte – und wenn ich nun einen Job mit derart bescheidenen Bezügen annahm, dann würde sich dieser Tag noch lange, lange hinauszögern.
    »Du weißt, dass du jederzeit bei mir einziehen kannst, Schätzchen. Natürlich müsstest du dir dann mit Mr. Patel das Gästezimmer teilen, aber das würde ihn sicher nicht stören. Wahrscheinlich würde er es nicht mal merken, denn er summt den ganzen Tag mit geschlossenen Augen vor sich hin. Er behauptet, eine übernatürliche Beweglichkeit zu besitzen, aber es gibt schlimmere Eigenschaften bei einem Mitbewohner.«
    Ihr Lachen wurde unterbrochen, als sie sich eine Benson & Hedges in den Mund steckte und anzündete. Na super! Dauerwellchemikalien plus Nikotin. Ich konnte von Glück reden, wenn ich rauskam, ehe mein kardiovaskuläres System kollabierte.
    Josie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher