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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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mir im Wagen nach Rom zurückfahren.«
    Aber Pierre wehrte ab.
    »Nein, nein! Tausend Dank, aber ich dinire mit meinem Freunde Narcisse und darf mich nicht verspäten.«
    »Ei, Sie werden sich nicht verspäten, im Gegenteil! Wir werden um drei abfahren und noch vor fünf in Rom sein ... Es gibt keine köstlichere Spazierfahrt, wenn der Tag sich neigt, und ich verspreche Ihnen einen wunderbaren Sonnenuntergang.«
    Er war so dringlich, daß der Priester, von so viel Liebenswürdigkeit und guter Laune endgiltig gewonnen, annehmen mußte. Sie verbrachten also eine sehr angenehme Stunde im Gespräch über Rom, Italien und Frankreich. Für einen Augenblick stiegen sie wieder nach Frascati hinauf, wo der Graf noch einmal einen Unternehmer sprechen wollte, und als es drei Uhr schlug, fuhren sie endlich ab, sich neben einander weich auf den Kissen der Viktoria wiegend. Die beiden Pferde gingen in einem leichten Trab. In der That, diese Rückfahrt nach Rom durch die ungeheure kahle Campagna, unter dem weiten, klaren Himmel, an diesem köstlichen Abend, dem schönsten aller Herbsttage, war herrlich.
    Aber zuerst mußte die Viktoria im scharfen Trab die Abhänge von Frascati fortwährend zwischen Weingärten und Olivenwäldern hinabfahren. Die gepflasterte Straße war wenig belebt: höchstens ein paar Bauern in alten, schwarzen Filzhüten, ein weißes Maultier, ein mit einem Esel bespannter Karren waren zu sehen. Nur des Sonntags belebten sich die Weinhandlungen und kamen die Handwerker, um in den Landhäusern der Umgegend in Muße ihr Ziegenfleisch zu verzehren. An einer Krümmung des Weges kamen sie an einem monumentalen Springbrunnen vorüber. Eine ganze Schafherde zog vorbei und versperrte einen Augenblick die Durchfahrt. Aber im Hintergrunde der biegsamen Wellen der ungeheuren, roten Campagna erschien stets das ferne Rom in den lila Dünsten des Abends und schien nach und nach, je tiefer der Wagen gelangte, zu versinken. Es kam ein Augenblick, da es in gleicher Linie mit dem Horizont nur noch ein dünner grauer Streif war, der von einigen sonnenbeschienenen Fassaden kaum etwas weiß gefleckt wurde. Dann versank es in die Erde; es ertrank unter der Schlagwelle der unendlichen Felder.
    Die Viktoria rollte auf der Ebene dahin und ließ das Albanergebirge hinter sich, während rechts, links und gegenüber das Meer der Prärien und Stoppeln begann. Da rief der Graf, der sich hinausgebeugt hatte:
    »Ei, sehen Sie doch, da vor uns, da unten geht unser Mann von heute morgen, Santobono in eigener Person ... Das ist ein Kerl, was? Wie er marschirt! Meinen Pferden wird es schwer, ihn einzuholen.«
    Pierre beugte sich ebenfalls hinaus. Ja, es war der Pfarrer von S. Maria dei Campi in seiner langen, schwarzen Sutane, groß und knorrig, wie mit der Axt zugehauen. In dem feinen Licht, der hellen, gelblichen Sonne, die ihn überflutete, bildete er einen grellen Tintenfleck und ging mit einem so regelmäßigen, schweren Schritt, daß er dem einherschreitenden Schicksal glich. Am Ende seines rechten Armes hing etwas herab – ein Gegenstand, der sich schlecht unterscheiden ließ.
    Als der Wagen ihn zuletzt erreicht hatte, gab Prada dem Kutscher den Befehl, langsamer zu fahren, und knüpfte ein Gespräch an.
    »Guten Tag, Abbé! Wie geht es?«
    »Sehr gut, Herr Graf! Tausend Dank!«
    »Und wohin laufen Sie denn so wacker?«
    »Ich gehe nach Rom, Herr Graf.«
    »Wie, nach Rom? So spät!«
    »O, ich werde fast ebenso bald dort sein wie Sie. Der Weg macht mir keine Angst; es ist rasch gewonnenes Geld.«
    Er versäumte keinen Schritt, wandte kaum den Kopf und verlängerte seine Schritte längs der Räder, so daß Prada, über die Begegnung erfreut, ganz leise zu Pierre sagte:
    »Warten Sie, er wird uns unterhalten.«
    Dann setzte er mit lauter Stimme hinzu:
    »Nun, da Sie nach Rom gehen, Abbé, so steigen Sie doch auf; es ist noch Platz für Sie.«
    Santobono nahm die Einladung sofort an, ohne sich weiter bitten zu lassen.
    »Mit Vergnügen, tausend Dank! ... Es ist freilich besser, wenn man die Stiefel nicht abnützt.«
    Er stieg auf und setzte sich auf den Klappsitz, indem er mit plötzlicher Demut den Platz an der Seite des Grafen abwies, den Pierre ihm höflich überlassen wollte. Die beiden letzteren erkannten endlich in dem Gegenstande, den er trug, einen kleinen Korb, der mit hübsch geordneten und mit Blättern bedeckten Feigen gefüllt war.
    Die Pferde hatten wieder einen lebhafteren Trab eingeschlagen und der Wagen rollte auf der
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