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Rolf Torring 098 - Indische Märchen

Rolf Torring 098 - Indische Märchen

Titel: Rolf Torring 098 - Indische Märchen
Autoren: Hans Warren
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zurückkonnten. Eine geheime Kraft trieb uns, den Garten näher zu betrachten. Es war, als ob wir ein Märchen erlebten."  
      Bei den letzten Worten Rolfs hatte sich das Gesicht des Inders immer mehr erhellt. Zuletzt lächelte er und sagte:  
      „Ja, meine Herren, Sie leben hier auch in einem Märchen. Sie befinden sich in meinem Märchenschloß".  
      Er machte eine Pause, ehe er langsam fortfuhr:  
      „Für Ihr unbefugtes Eindringen muß ich Ihnen eine Strafe zudiktieren. Erzählen Sie mir drei indische Märchen, die ich noch nicht kenne! Wenn Ihnen das gelingt, sind Sie im Augenblick frei, ebenso Ihre Gefährten."  
      Rolf war sehr ernst geworden, er schaute den Fürsten unverwandt an und sagte:  
      „Ich könnte mir ja ein, zwei oder drei Märchen ausdenken, Hoheit, aber damit werden Sie nicht zufrieden sein. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie echte indische Märchen von mir hören, die Sie noch nicht kennen."  
      „Sie haben mich richtig verstanden, Herr Torring! Sie müssen mir auf irgendwelche Weise den Beweis erbringen, daß Sie sich die Märchen nicht nur ausgedacht haben. Ich liebe die indischen Märchen sehr, die meisten sind in großen Sammlungen niedergeschrieben. Ich betrachte mich selbst gelegentlich als einen Märchenprinzen. Drei Tage haben Sie Zeit, sich die Märchen zu überlegen."  
      „Und wenn wir kein Märchen wissen, das Sie noch nicht kennen? Was geschieht dann?"  
      „Dann muß ich Sie hierbehalten. Dann müssen Sie mir helfen, neue Märchen zu ersinnen, indische Märchen, die auf indischem Boden gewachsen sein könnten, Märchen also, die ,wahr' sein könnten, denen der Schimmer des echten Märchens anhaftet."  
      Ich schaute Rolf von der Seite an. Er machte noch immer ein sehr ernstes Gesicht und schien scharf nachzudenken. Plötzlich hob er den Kopf und sagte:  
      „Ich weiß ein Märchen für Sie, Hoheit, das Sie bestimmt noch nicht kennen, aber ich werde es Ihnen erst morgen erzählen, da ich mir die Einzelheiten noch einmal in Ruhe ins Gedächtnis zurückrufen muß. Darf ich mir jetzt eine andere Frage erlauben, die mit Märchen nichts zu tun hat? Was soll aus unserem Gepard werden, wenn wir nicht so schnell von hier fortkommen sollten?"  
      „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, meine Herren," wandte sich Fürst Ralingo wieder an uns beide. „Maha ist schon hier. Er muß das Zimmer, in das Sie ihn gesperrt hatten, verlassen haben und Ihnen gefolgt sein. Wir fanden ihn vor der Mauer und haben ihn einstweilen in einen Käfig gebracht, wo er gut verpflegt wird."  
      Jetzt waren wir alle in der Gewalt des Fürsten. War es eine „Gewalt", die wir zu spüren bekamen? Wir sollten ihm ja nur drei indische Märchen erzählen, dann würden wir frei sein.  
      Nach dem Essen begleitete uns der Fürst bis zu unserem Zimmer. Er hatte uns versprochen, daß wir auch im Garten Spazierengehen dürften, nur müßten wir uns dann gefallen lassen, daß wir an den Händen gefesselt würden.  
      „So gefährliche Männer wie Sie kann ich draußen nicht frei herumlaufen lassen. Die Gefahr, daß Sie fliehen, ist zu groß, und ich komme um meine Märchen," meinte er lachend.  
      Ich muß erwähnen, daß man uns die Waffen natürlich abgenommen hatte, während wir betäubt waren. Wir hätten während des Mittagessens den Fürsten mit Leichtigkeit überwältigen können, aber das wäre unfair gewesen, außerdem hätten wir mit der sicher zahlreichen Dienerschaft einen harten Strauß ausfechten müssen. Das wollten wir vermeiden.  
      Als wir in unserem Zimmer wieder allein waren, besprachen wir leise das eben Erlebte.  
      „Die Idee des Fürsten ist entweder halb verrückt oder raffiniert, Rolf," meinte ich. „Er hält uns gefangen, um von uns, Europäern, drei indische Märchen zu erfahren, die er, ein Inder, der sich speziell mit indischen Märchen seit Jahren beschäftigt, noch nicht kennt."  
      „Du hast nicht so unrecht, Hans, wenn du die Idee des Fürsten ,halb verrückt' nennst. Aber ist dir sonst nichts aufgefallen?"  
      „Meinst du, daß der Fürst ein fast akzentfreies Englisch spricht, Rolf?"  
      „Allerdings, ich vermute — aber wozu Vermutungen aussprechen?! Wir müssen uns überzeugen! Mir will seit dem Mittagessen der Professor nicht aus dem Kopf. Ich glaube, hier liegt der Angelpunkt des Geheimnisses, das es zu ergründen gilt."  
      Wir standen wieder am Fenster und hatten sehr leise gesprochen, um
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