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Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Titel: Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
Autoren: Alexandra Balzer
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er in Roen Orm festgestellt hatte.
„Der Schössling, er welkt.“ Besorgt zog die Weide Eiven an sich. Rasch flocht sie aus ihren eigenen Ästen ein stabiles Lager, auf das sie den verletzten jungen Mann bettete.
„Kannst du ihn heilen?“ Niyam setzte sich in die bequeme Gabelung des geteilten Stamms.
„Aber ja. Schon beim nächsten Sonnenuntergang wird er sich wieder strecken können.“
„Ich danke dir. Allerdings besteht die Gefahr, dass er wild um sich schlägt, wenn er erwacht. Vielleicht könntest du ihn zu seiner eigenen Sicherheit festhalten?“
Die Weide schwieg, Niyam wusste, sie suchte in Eivens Geist nach Erinnerungen, die sie verstand, die ihr zeigten, was ihm widerfahren war.
„Ich will ihn sicher halten, ihm wird nichts geschehen. Ruhe nun, Niyam von den Loy, ich fühle deine Erschöpfung und will dich nähren.“
„Das wäre wunderbar, doch ich will nicht, dass du zu viel gibst und dir nachher die Blätter ausfallen. Sicherlich wird Schlaf für mich ausreichen.“
Er kauerte sich zusammen, die Flügel fest angelegt, der Kopf ruhte auf der kühlen Rinde. Fasziniert beobachtete er, wie die dünnen Äste der Weide über Eivens Körper glitten, sich um Arme und Beine des jungen Kriegers schlangen. Dazu sang sie ein Lied von Wind, Sonne und dem Fließen aller Dinge. Eiven atmete hörbar ruhiger, und auch Niyam sank rasch in tiefen Schlaf, erfüllt von friedlichen Traumbildern, die allesamt von der Weide geschickt wurden.
     

6.
     
„Hör auf zu suchen, wenn du nicht finden kannst, vielleicht kommt es dann von allein zu dir.“
Sinnspruch der Nola
 
     
Thamar streckte den schmerzenden Rücken. Seine Suche nach dem Splitter von Pyas Flöte hatte ihn in den Tempel von Kashuum geführt, einer uralten Weihestätte Tis, hoch in den Bergen. Die schweigsamen Priester waren völlig anders als jene, die er aus Roen Orm kannte: Hart arbeitende Männer, deren Leben dem Gebet gewidmet war. Sie suchten wahrhaftig die Nähe ihres Gottes statt sich in die Belange der Politik einzumischen. Thamar war freundlich aufgenommen worden, niemand hatte nach seiner Gesinnung oder der Festigkeit seines Glaubens gefragt oder sich daran gestört, dass ihr Gast ein Artefakt der Göttin suchte, die als Feindin Tis betrachtet wurde. Ihm schien es sogar, als würde man hier insgeheim auch die Schwester des Sonnengottes in das Gebet mit einbeziehen und sich mit bewundernswerter Ruhe und Gelassenheit um das Gleichgewicht aller Dinge sorgen. Eine Ruhe, die den Hexen nicht gegeben war … Doch er wollte nicht zu früh urteilen. Für die Nacht hatte man ihn in einer kleinen, karg eingerichteten Kammer einquartiert. Das Bett war schuld an seinen Rückenschmerzen – Thamar war nach wochenlanger Wanderung in der Wildnis nicht mehr an Strohmatratzen, Decken und Daunenkissen gewöhnt. Nach einem kargen Frühstück wurde er zum Tempelvorsteher gebracht, der sich ihm mit dem Namen Ronlad vorstellte. Er war sicherlich schon achtzig Jahre alt oder noch mehr, aber er wirkte trotz des faltendurchzogenen Gesichtes und den spärlichen grauen Haaren viel jünger. Wenn er lachte, hatte er etwas Jungenhaftes an sich und er strahlte heitere Gelassenheit aus. Diese lebendige Ausdrucksstärke war den meisten der hiesigen Priestern zu eigen, völlig anders als bei den Geweihten von Roen Orm, die auf Thamar immer weltentrückt, streng und unnachgiebig gewirkt hatten.
     
Ronlad führte Thamar in die Archivkammern, nachdem sie ein wenig Höflichkeiten ausgetauscht und über Pyas Flöte diskutiert hatten.
„Leider hörte ich nie davon, dass ein Splitter dieses heiligen Instruments in der Nähe zu finden sein soll, oder woran man ihn erkennt. Schau her, junger Freund, du darfst alles lesen, in diesem Raum werden keine Geheimnisse aufbewahrt. Bleib solange unser Gast, wie du möchtest. Zu selten ist es dieser Tage, dass Fremde in unsere Mitte kommen.“ Ronlad neigte lächelnd den Kopf. „Ich sehe, du sorgst dich?“, fragte er. „Was bedrückt dich, Svern von Hallime?“
Noch immer fiel es Thamar schwer, unbefangen mit seinem Tarnnamen umzugehen, obwohl er ihn schon so lange benutzte. Er hoffte, dass Ronlad nicht bemerkt hatte, wie er kurz zusammengefahren war, doch der alte Mann lächelte unverändert.
„Ich … nun, es ist wichtig, dass ich diesen Splitter finde. Meine bisherige Suche war anstrengend und ich hatte sehr gehofft, hier endlich die richtige Spur aufnehmen zu können. Ich fürchte, dass Ihr mir nicht helfen könnt, denn sicherlich habt
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