Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Robbins, Harold - Träume

Titel: Robbins, Harold - Träume
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Wollte man sonst, unter der Hand, »schwarzes« Geld in »weißes« verwandeln, so hatte man für vierzig Dollar jeweils fünfzig hinzublättern; das war der übliche Kurs. Mit Hilfe dieser Inseraten-Masche würde der Spaß meinen Onkel nur zehn Prozent kosten. »Das muß ich mir durch den Kopf gehen lassen«, sagte ich.
    »Tu das. Bill wird dich morgen früh abholen und zu dem Blatt fahren, damit du dir den Laden ansehen kannst.«
    »Bill?«
    »Der Collector.«
    »Oh.« Irgendwie verblüffte es mich, daß dieser Kerl überhaupt einen Namen hatte. Ich stand auf.
    »Morgen nacht kommst du zur selben Zeit wieder her und gibst mir deine Antwort.«
    »Okay.« Ich wandte mich zum Gehen.
    Der Regen verdunstete auf dem Beton, und von den Straßen stieg ein eigentümlich dumpfer Geruch auf. Je weiter man nach East Los Angeles kam, desto enger wurden die Straßen. Die alten Häuser lehnten aneinander, als müßten sie sich gegenseitig stützen. Kein Licht brannte, und die Straßen lagen fast völlig im Dunkeln. Doch in den Schatten spürte ich Leben und Bewegung. Es war etwas, das ich gleichsam witterte, denn sehen konnte ich nichts. Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich in der Mitte der Straße ging, während meine Augen die Dunkelheit durchforschten. Fast war es, als sei ich nach Vietnam zurückgekehrt.
    Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, durchzudrehen. Du bist hier in Los Angeles, sagte ich mir vor. Du gehst eine Straße entlang, eine Straße in der Stadt und nicht einen Dschungelpfad.
    Ich sah nichts. Ich hörte nichts. Doch ich wußte, daß dort etwas war, und ließ mich zur Seite fallen. In der Dunkelheit pfiff der Totschläger an meinem Kopf vorbei.
    Als ich mich aufrichtete, stand er dort, auf dem braunen Gesicht ein dümmliches Grinsen. Schlaff baumelte von seiner rechten Hand der Totschläger, in der linken hielt er die unvermeidliche Flasche. »Dir zieh ich eins über, Weißer«, sagte er.
    Sein Blick war verschwommen, und er schwankte leicht: wie im Rhythmus einer Musik, die nur er hören konnte. »Ich zieh dir eins über, Weißer«, wiederholte er, auf dem Gesicht noch immer das dümmliche, leere Lächeln.
    Ich fixierte ihn, versuchte seinen Heroinnebel zu durchdringen. »Tu das, und ich bring dich um«, sagte ich mit ruhiger Stimme.
    Schroff schien die Musik in seinem Kopf abzubrechen. Er schwankte nicht länger. Mühsam versuchte er, mich deutlicher ins Auge zu fassen. Seine Stimme klang verwirrt. »Mich umbringen? Aber warum denn? Hab dir doch nichts getan.«
    Ein Auto bog um die Ecke, das Licht der Scheinwerfer fiel auf ihn. Zum ersten Mal konnte ich ihn deutlich sehen. Er war noch ein halbes Kind. Siebzehn. Vielleicht achtzehn. Das Gesicht noch voller Pickel, über die auch sein dünner Bart nicht hinwegtäuschen konnte. Langsam traten wir zurück: jeder auf seine Seite der Straße, damit das Auto zwischen uns hindurch konnte.
    Es fuhr vorüber, und ich sah, daß er wieder zurückgetaucht war in die tiefen Schatten. Sorgsam suchte ich mit meinen Augen die Straße ab, konnte jedoch nirgends etwas entdecken. Dennoch setzte ich mich erst in Bewegung, als mir das Radar in meinem Kopf meldete, daß er wirklich verschwunden war. Dann kehrte ich zur Straßenmitte zurück und ging weiter.
    Du wirst alt und sentimental, Gareth, sagte ich zu mir selbst. Schlimmer noch: dumm. Mitleid mit einem Junkie? Was soll das? Mit seinem Totschläger hätte er dir den Schädel zerschmettern können. Und trotzdem tat er mir leid. Es war nun mal so: Wußte man nicht, wie wunderbar man sich mit Hilfe einer Spritze für eine Weile von allem Schmerz befreien konnte, so fühlte man da vielleicht anders. Aber wenn man’s wußte, so konnte man nur ein tiefes Bedauern empfinden. Denn die Erlösung war immer nur kurz, das Grauen dafür um so schlimmer. In Vietnam hatte ich erlebt, daß mehr Männer der Nadel zum Opfer fielen als den Kugeln.
    Es war bereits halb vier, als ich endlich Veritas Haustür erreichte. Ich drückte auf die Klingel. Nach Sekunden erklang aus der Sprechanlage ihre Stimme, dünn, furchtsam. »Wer ist denn da?«
    »Gareth. Darf ich nach oben kommen?«
    »Stimmt irgend etwas nicht?«
    »Doch, doch. Soweit ist alles in Ordnung. Aber ich muß mit dir reden.«
    Ich hörte ein Surren, drückte die Tür auf. Bald war ich oben. Verita wartete am Eingang auf mich. Ich folgte ihr in die Wohnung, und sie Schloß die Tür hinter uns zu.
    »Tut mir leid, wenn ich dich aufgeweckt habe.«
    »Macht nichts. Ich konnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher