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Robbins, Harold - Träume

Titel: Robbins, Harold - Träume
Autoren: Unbekannter Autor
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Tränen, doch ich unterdrückte sie. Ich hatte ihn wirklich lieben wollen. Die Klavierspielerin saß jetzt beim Collector am Tisch. Als ich vorbeiging, winkte er mir zu. Ich drängte mich durch die überfüllte Bar. Beim Ausgang stand eine Gruppe von Leder-Boys. Die Tränen ließen meinen Blick verschwimmen, und ich stieß gegen einen von ihnen.
    Ich trat einen Schritt zurück. »Verzeihung«, sagte ich.
    »De nada«, erwiderte er und wandte rasch sein Gesicht ab. Doch ich hatte ihn bereits erkannt. Über seiner Brusttasche sah ich die glänzenden Buchstaben: J. V. Kings. Es war derselbe Bursche, der mich in Julios Auftrag vor langer, sehr langer Zeit in der Nähe von Veritas Appartement abgeholt hatte. Einen Augenblick zögerte ich. Sollte ich zu Lonergan zurückgehen und ihn warnen? Aber dies war sein Krieg, nicht meiner. Ich hatte genug davon, in den Kriegen anderer zu kämpfen.
    Ich verließ die Bar und stieg ins Auto. »Okay«, sagte ich, »zum Flughafen, Tony.«
    Vom Flughafengebäude aus rief ich Eileen an. »Ich bin auf dem Weg nach New York«, erklärte ich. »Warte also nicht auf mich. Morgen abend bin ich wohl wieder zurück.«
    »Viel Glück«, sagte sie. »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich«, erwiderte ich und hängte auf.
    Die Vorzüge einer gecharterten Maschine bestehen nicht zuletzt darin, daß man sich auf einem komfortablen Bett langlegen kann. Ich schlief während des ganzen Fluges, und als ich in New York aus der Maschine kletterte, sah ich die Schlagzeile in den New York Daily News. Lonergan war tot. Ich kaufte nicht mal ein Exemplar, um den Bericht zu lesen.
    Beim Mittagessen traf ich ein, als man bereits das Dessert servierte. Erstauntes Stimmengewirr wurde bei meinem Eintritt laut. Ich blickte stur geradeaus und marschierte direkt zur Mitte der langen Tafel. Wie erwartet, befanden sich dort ein leerer Stuhl und eine Tischkarte mit meinem Namen.
    Einen Augenblick später erhob sich der Mann neben mir und bat um die allgemeine Aufmerksamkeit. Im Saal wurde es still. »Ladies und Gentlemen«, sagte er angespannt. »Mr. Gareth Brendan.«
    Es gab nicht einmal Höflichkeitsapplaus. Während ich ans Mikrophon trat, starrte mich ein Meer von Gesichtern in tödlichem Schweigen an.
    »Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich will mich kurz fassen. Wie Sie wissen, ist die erste öffentliche Anleihe der Gareth Brendan Publications Limited ein Riesenerfolg. Ihnen allen, die Sie so entscheidend dazu beigetragen haben, möchte ich meine Wertschätzung und meinen Dank ausdrücken.«
    Ich hielt inne. Das Schweigen war eisig. »Leider sind jedoch gewisse Umstände eingetreten, die den Wert dieser Anleihe zu verdunkeln drohen. Ich bin in vielen Dingen ein naiver Mensch. Ich möchte ganz einfach das Gefühl haben, daß es unter Ihnen welche gibt, denen das Wohl ihrer Klienten noch mehr am Herzen liegt als ihre eigenen Gewinne.
    Von Mr. Courtland bin ich darüber informiert worden, daß die Anleihe unwiderruflich ist, es sei denn, ich selbst widerrufe sie. In diesem Augenblick ist es noch mein Aktienkapital und meine Firma. Ich nehme die Gelegenheit wahr, um Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß das Aktienangebot offiziell zurückgezogen wird.«
    Wort- und Satzfetzen klangen an meine Ohren. Der Lärm wuchs so sehr an, daß ich trotz des Mikrophons meine Stimme heben mußte, um mich verständlich machen zu können. »Damit in Verbindung mit besagtem Angebot niemand einen finanziellen Verlust erleidet, erkläre ich mich zur Rückerstattung aller Unkosten bereit, die im Zusammenhang damit entstanden sind. Ich danke Ihnen.«
    Ich verließ den Platz am Mikrophon und begann, dem Ausgang zuzustreben. Das laute Stimmengewirr steigerte sich fast zum Gebrüll. Mein Blick fiel auf Courtland. Er stand wie betäubt, buchstäblich wie vom Blitz getroffen. Blässe überzog sein Gesicht, eine Siebzehn-Millionen-Dollar-Blässe.
    Reporter umdrängten mich, packten mich beim Jackett, schrien mir ihre Fragen in die Ohren. Ich aber verließ wortlos den Saal.
    Kaum war ich wieder im Hotel, klingelte das Telefon. Ich erkannte Eileens Stimme.
    »Ich habe von deiner Rede in den Nachrichten gehört«, sagte sie. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
    »Ich weiß nicht recht. Vielleicht bin ich dumm.«
    »Nein. Du bist großartig.« Der Klang ihrer Stimme wandelte sich. »Du hast es schon gehört - das mit deinem Onkel?«
    »Ja.«
    »Es ist schrecklich.«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte ich, und genauso meinte ich es auch. »Lonergan
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