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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Band um den anderen in Augenschein, „welch einen Schatz beherbergt Ihr in Eurem Haus, Herr Fabri! Platon, Vergils ´Aeneis’, die Dichtungen des Francesco Petrarca, die ´Metamorphosen’ des Publius Ovidius Naso ... Und hier: sogar Senecas Briefe!“
    „Alles was das Herz begehrt, nicht wahr?“ Fabri freute sich wie ein kleines Kind.
    Für kurze Zeit war jeder Gedanke an ihren unsichtbaren Bräutigam zurückgestellt. Sie nahm einen Band nach dem anderen in Augenschein, Bücher und Schriftrollen, die Bruder Paule zwar gekannt, aber nie selbst in Händen gehabt hatte.
    „Wie ich sehe, habt Ihr auch Schriften der Muselmanen in Eurem Besitz. Sprecht Ihr am Ende deren Sprache?”
    Fabri nickte stolz. „Als Tuchhändler bin ich weitgereist und zähle nicht wenige Muselmanen zu meinen Freunden. Ihr werdet bald meinen Freund aus Damaskus, Ibrahim Ben Suleyman, kennenlernen. Er kommt meist einmal im Jahr nach Carcassonne.“
    Rixende bewunderte gerade ein besonders wertvolles Traktat, das in zwei dunkle Holzdeckel eingebunden war. Zarte, geschwungene, mit zahlreichen Fabelwesen versehene Blattranken schmückten die Seiten. Was sie jedoch auf der letzten Seite entdeckte, ließ sie hell auflachen. Sie las laut vor:

    „Hie hat das puch ein end.
    Gott uns sein Gnad send,
    darzu Ochsen und Rinder,
    und ein schön Fraue on Kinder!“

    Fabri lachte ebenfalls. „Ein Stoßseufzer offenbar. Qui scribere nescit heißt es in einer alten Schrift aus dem 8. Jahrhundert, nullum putat esse laborem – wer nicht schreiben kann, denkt, das sei keine Arbeit. Aber Spaß beiseite“, fuhr der Alte fort, „es freut mich über alle Maßen, eine kluge Schwiegertochter zu bekommen, eine, die an Büchern Gefallen zeigt und nicht den ganzen Tag der Wäsche hinterherrennt. Das ist bedeutend mehr, als ich erwartet habe. Auch Aimeric wird zufrieden sein, wenn er es erfährt. Im Vertrauen: Er hat ein wenig Angst vor Euch, Rixende!“
    „Die habe ich auch vor ihm. Doch wo steckt er, mein zukünftiger Gatte?“ fragte die junge Frau jetzt offen.
    „In unaufschiebbaren Geschäften unterwegs, leider“, seufzte Fabri, und er schien sehr verlegen. „Da Aimeric mein einziger Sohn und Teilhaber ist, musste er vor zwei Wochen nach Marseille reiten, um eine Ladung Seide aus Quanzhou - aus China - zu löschen. Er wird jedoch in Kürze wieder hier sein und Euch dann um so mehr von Herzen willkommen heißen. In der Zwischenzeit könnt Ihr Euch hier eingewöhnen. Ach, übrigens, er hat mir einen Brief für Euch dagelassen, Rixende!“
    Fabri nestelte an seinem dunkelblauen Gewand und zog aus einer Innentasche ein gesiegeltes Pergament hervor, das er Rixende übergab.
    Vor den Toren Carcassonnes wäre Rixende noch jeglicher Aufschub recht gewesen, doch dann hatte sie der ersten Begegnung mit ihrem Bräutigam geradezu entgegengefiebert.
    „Ich ... ich möchte seine Zeilen gerne vor dem Zubettgehen lesen, wenn Ihr erlaubt, Herr“, sagte sie leise. Tränen standen in ihren Augen. Castel Fabri nahm sie in den Arm und entschuldigte Aimerics Abwesenheit ein weiteres Mal mit vielen Worten. Dann zeigte er ihr – auch um sie abzulenken - ihre persönlichen Gemächer, die nur ein paar Türen weiter im ersten Stock des Hauses lagen und ebenfalls mit wertvollen Truhen und edlen Wandbehängen ausgestattet waren. Rixende stellte ihm bei dieser Gelegenheit die Muhme Mengarde vor, die bis zur Hochzeit in Carcassonne bleiben würde und bereits dabei war, die Kleider und persönlichen Gegenstände ihres Schützlings auszupacken. Rixendes Puppe – das zarte Gesichtchen aus Karneol geschnitzt – lag schon auf ihrem Bett. Es war das einzige Andenken, das sie an Montaillou hatte.

    Als sie am späten Abend im Kerzenlicht das Siegel des Pergamentes erbrach, fiel ihr ein schmaler goldener Ring mit einem wunderschön geschliffenen glutroten Rubin entgegen.
    „Liebe Rixende! Es tut mir aufrichtig leid, Euch nicht selbst in unserem Hause begrüßen zu können. Doch meine Reise nach Marseille war unaufschiebbar. Sicherlich hat mein Vater sein Bestes getan, damit Ihr Euch wohlfühlt am ersten Tag in der Fremde. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es für uns beide recht bald so kommen wird, wie ich kürzlich einen Troubadour habe singen hören:
    Die Liebe, dacht ich, sei ein holder Scherz,
    da sie zu lernen ich zuerst begann.
    Nun wogt wie eine Feuersbrunst mein Herz,
    die alle Flut des Meers nicht löschen kann.
    Für immer der Eure
    Aimeric Fabri

3
    Vor solchem Feind nur muss
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