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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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die Lippen aufeinander. Erneut zögerte er zu antworten. Er trat ans Fenster und sah hinaus auf den Hof, wo die Enkel des Bürgermeisters mit einem der Hunde herumtobten.
    „Die Inquisition hat mich bislang in Ruhe gelassen“, sagte er nach einer Weile und strich sich die dunklen Haare aus der Stirn. „Doch nun scheinen die Spürhunde der Dominikaner dahintergekommen zu sein, dass es einen Überlebenden aus der Burg von Montaillou gibt. Wenn mir auch mein falscher Name eine gewisse Sicherheit bietet, so darf ich dennoch nicht leichtsinnig sein. Von dir wissen sie nichts, Rixende, du brauchst dich also nicht zu ängstigen. Doch meine Besuche könnten auch dich irgendwann in Gefahr bringen.“
    „Weshalb sollte ich mich vor der Inquisition fürchten? Ich habe nichts mit euch zu tun. Ich bin eine gute Katholikin. Seit zehn Jahren lebe ich hier in Gavarnie, und der Bayle, der Bürgermeister gilt als mein leiblicher Vater“, entgegnete ihm Rixende trotzig.
    „Ich weiß, ich weiß“, antworte Simon ungeduldig. „Aber verstehst du denn nicht, Schwester, sie sind nicht nur hinter mir her, sondern vor allem hinter unserem Vermögen, von dem allerdings niemand ahnt, dass es sich bei Mutters Großonkel Fabri in Carcassonne befindet. Und dort wärst auch du gut aufgehoben, wenn du es mir nur glauben wolltest, Rixende! Castel Fabri ist ein angesehener Mann, ein Konsul. Ihn und seinen Sohn Aimeric würde man als letzte der Häresie verdächtigen. Sei vernünftig, Kind! Bleibst du hier, bringst du am Ende noch den Bayle und seine Familie in Gefahr.“
    Schweren Herzens hatte Rixende nachgegeben und noch am gleichen Tag angefangen, ihre Habe zu packen und endgültig Abschied zu nehmen von ihrer Kindheit.

    Aton kam pfeifend zurückgeschlendert, mit der guten Nachricht, dass sich der Ochsenkarren endlich aus dem kleinen Wäldchen herausmühte. Erleichtert sprang Rixende auf, pflückte sich noch ein Sträußchen Clematis, um es an ihrem Gewand zu befestigen. Dann bestieg sie wieder ihr Pferd, das schon ungeduldig mit den Hufen scharrte.
    Ganz langsam ritten die beiden weiter, um den Karren aufschließen zu lassen.

    Die Burg von Montaillou. Lange hatte Rixende nicht mehr an ihr wahres Zuhause gedacht, an die Zeit, in der sie noch Ava hieß und an die Nacht, als sie, fünfjährig, jäh aus dem Schlaf gerissen wurde. Doch die Erinnerung an jene Schicksalsstunde war so klar wie die Umrisse der fremden Stadt, die vor ihr lag. Jedes Wort, das geflüstert wurde, die hastigen Verrichtungen der Mutter, ihre gehetzten Blicke, die Seufzer - alles hatte sich für immer in ihre kindliche Seele eingebrannt.
    Unruhig hatte sie sich in jener Nacht auf ihrem Lager hin- und hergewälzt - diese schier unerträgliche Hitze, die schon Monate anhielt und noch immer kein Ende nehmen wollte –, als plötzlich jemand an ihrem Arm rüttelte.
    „Komm Ava, mein gutes Mädchen, steh auf“, hatte ihr die Mutter ins Ohr geflüstert, und noch heute glaubte Rixende das weiche dunkle Lockenhaar zu spüren, wie es auf ihre Wange gefallen war, als Mutter sie liebkoste.
    „Weshalb denn? Ich bin noch so müde“, hatte sie gemurmelt, schlaftrunken und verwirrt von seltsamen Träumen.
    „Ich weiß. Dennoch, du musst aufstehen, sofort. Eine liebe Frau ist gekommen, Mengarde, sie wird dich mitnehmen, mein Kind.“
    Da war sie hellwach geworden.
    „Mitnehmen? Aber wohin?“
    „Du darfst eine weite Reise mit mir machen, mein Täubchen“, hatte eine fremde Stimme neben ihr gesagt, „und bald in einer braven Familie leben unter anderen Kindern!“
    Ein Fackelschein sprang auf, wobei das Licht auf ein rundes, Ava völlig unbekanntes Gesicht fiel.
    „Ich will aber nicht in einer anderen Familie leben. Wo ist Bernard?“ schrie Ava, doch die Mutter hielt ihr rasch den Mund zu.
    „Still, still! Dein Bruder ist bereits in Sicherheit, und damit dir nichts Böses geschieht, musst du uns jetzt gehorchen. Steh also auf und zieh dich an. Und sei ganz leise. Es darf uns niemand hören! Die Muhme Mengarde hat all deine Sachen gepackt. Du gehst mit ihr und bist sehr brav in der Fremde. Hast du mich verstanden? Versprichst du es mir?“
    „Aber warum ... Ich will nicht ...“ Ava schluchzte leise und warf der Mutter einen flehenden Blick zu.
    „Dein Vater und ich ... wir müssen in zwei Tagen zum Verhör. Das ist etwas, was du heute noch nicht verstehst. Wenn die böse Zeit vorüber ist, kommt Vater zu dir geritten, um dich wieder nach Hause zu holen.“
    Ava nickte.
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