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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Autoren: Gerd Gigerenzer
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Protokolle abarbeiteten und dafür sorgten, dass die Passagiere die vorgeschriebene Crash-Haltung einnahmen. Die Checklisten liefern ein einfaches, kostengünstiges Werkzeug zur Verbesserung der Sicherheit.
    In der Medizin bietet sich ein ganz anderes Bild. Jedes Jahr verursachen zentrale Venenkatheter in US -amerikanischen Krankenhäusern geschätzte 80000 Blutbahninfektionen und – dadurch bedingt – 28000 Todesfälle auf Intensivstationen. Patienten, die eine Katheterinfektion überleben, verbringen im Durchschnitt eine Woche länger in der Intensivpflege. Die Gesamtkosten dieser Infektionen werden auf 2,3 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Was können wir tun, um einige dieser Leben zu retten? Bessere Medikamente zur Behandlung der Infektionen, bessere Technik? Die Antwort lautet: eine bessere Fehlerkultur.
    2001 entwickelte Peter Pronovost, ein Intensivmediziner am Johns Hopkins Hospital, eine einfache Checkliste für Ärzte auf Intensivstationen, um festzustellen, ob sich die Zahl der Katheterinfektionen verringern lässt. 55 Fünf Schritte verhindern das Eindringen von Bakterien. Hier ist die Liste:
    CHECKLISTE
    Ärzte sollen
    1. sich die Hände mit Seife waschen,
    2. die Haut des Patienten mit dem Antiseptikum Chlorhexidin säubern,
    3. den Patienten vollständig mit sterilen Tüchern abdecken,
    4. Maske, Mütze, Kittel und Handschuhe tragen, die steril sind,
    5. die Eintrittsstelle mit einem sterilen Überzug abdecken, sobald der Katheter eingeführt ist.
    Jede Maßnahme auf der Liste war bekannt, nichts war neu. Pronovost hielt die Krankenschwestern und Pfleger auf der Intensivstation dazu an, darauf zu achten, ob die Ärzte die fünf Schritte befolgten. Die Schwestern berichteten, dass bei mehr als einem Drittel aller Patienten ein oder mehrere Schritte ausgelassen wurden. Im Johns Hopkins Hospital betrug die Rate der Katheterinfektionen elf Prozent.
    Als Nächstes bewog Pronovost die Krankenhausverwaltung, die Schwestern zum Eingreifen zu ermächtigen, wenn die Ärzte einen Schritt ausließen. Diese revolutionäre Maßnahme brachte die hierarchische Struktur durcheinander, die nicht vorsieht, dass die überwiegend weiblichen Krankenpfleger den überwiegend männlichen Chirurgen sagen, was diese zu tun haben. Nach einjähriger Anwendung der Checkliste fiel die Rate der Katheterinfektionen von elf Prozent auf null(!). Während der folgenden 15 Monate traten nur zwei Fälle von Katheterinfektionen auf. In diesem einen Krankenhaus hatte die Checkliste 43 Infektionen und acht Todesfälle verhindert – und eine Ersparnis von zwei Millionen Dollar gebracht.
    Um zu zeigen, dass die Wirkung der Checkliste nicht auf das eigene Krankenhaus beschränkt war, veranlasste Pronovost mehr als hundert Intensivstationen in Michigan zur Mitarbeit an einer umfassenden Studie. Ein wichtiger Aspekt war, dass jede Intensivstation dazu angehalten wurde, ihre eigene Checkliste aufzustellen, um ihren eigenen Hemmnissen und ihrer besonderen Kultur Rechnung zu tragen. Die teilnehmenden Intensivstationen hatten vor der Studie 695 katheterassoziierte Blutbahninfektionen pro Jahr gemeldet. Schon drei Monate nach Einführung der Checklisten sank die Infektionsrate in den meisten Intensivstationen auf null. Auf den restlichen Intensivstationen gelang es in den 18 Monaten, die die Studie dauerte, die Rate erheblich zu senken. 56 Dieses enorme Lebensrettungsprogramm wurde ohne aufwendige Technik und zusätzliches Personal bewerkstelligt.
    Pronovost und seine Kollegen entwickelten ferner Checklisten, um neben Katheterinfektionen auch andere Schäden von Patienten abzuwenden. Der Chirurg Atul Gawande war so begeistert, dass er das Buch The Checklist Manifesto schrieb. Er beschloss, mit gutem Beispiel voranzugehen und in seinem eigenen Team eine Checkliste zu verwenden. In seinem Innersten war er davon überzeugt, dass die Liste in seinem Bereich keinen Unterschied bewirken würde. Doch er musste sich eines Besseren belehren lassen. Kaum eine Woche verging, in der die Checkliste ein Versäumnis aufdeckte, das ihm und seinem Team bis dahin entgangen war. Ein Beispiel: 57
    »Ich hatte eine Patientin, die das Antibiotikum nicht bekommen hatte, das sie vor dem Schnitt hätte einnehmen sollen – eines unserer häufigsten Versäumnisse. Das Anästhesieteam war durch die übliche Hektik abgelenkt. Es hatte Schwierigkeiten, eine geeignete Vene für einen intravenösen Zugang zu finden, und einer der beiden Monitore flackerte. Dann rief die OP
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