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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water
Autoren: Patricia Highsmith
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und schmackhaften Rucola. Vielleicht würde er etwas davon als Salat für den Abend schneiden.
    » Tomme, willst du nichts unternehmen wegen dieses Anrufs?« Héloïse schmollte wie ein Kind, das eine Frage stellt und sich nicht abwimmeln läßt.
    Tom störte das nicht, weil ihr Gehirn nicht kindlich war und der kindliche Eindruck wohl nur von dem langen, glatten blonden Haar stammte, das ihr jetzt halb vor der Stirn hing. »Vermutlich nichts. Die Polizei einschalten? Das wäre sinnlos.« Tom wußte, daß Héloïse sich darüber im klaren war, wie schwierig es wäre, die Polizei »belästigende« oder obszöne Anrufe (die sie noch nie bekommen hatten) zurückverfolgen zu lassen: Man mußte Formulare ausfüllen und einem Abhörgerät zustimmen, das natürlich auch alle anderen Anrufe überwachte. Tom hatte sich nie auf so etwas eingelassen und würde es auch niemals tun. »Sie rufen aus Amerika an. Irgendwann haben sie genug davon.«
    Er sah zur halboffenen Flügeltür hinüber, ging dann aber daran vorbei in Madame Annettes Reich, in die Küche vorne links im Haus. Der Duft einer raffiniert komponierten Gemüsesuppe stieg ihm in die Nase.
    Madame Annette, in blauweiß getupftem Kleid und dunkelblauer Schürze, rührte am Herd in einem Topf.
    »Guten Abend, Madame.«
    »Monsieur Tomme! Bonsoir.«
    »Und was gibt’s heute abend als Hauptgericht?«
    » Noisettes de veau – doch keine großen, denn es ist warm.«
    »Stimmt. Riecht göttlich. Egal wie warm es ist, Appetit habe ich. Madame Annette, ich möchte klarstellen, daß Sie herzlich willkommen sind, Ihre Freundinnen einzuladen, wenn meine Frau und ich verreist sind. Hat Madame Héloïse das schon erwähnt?«
    » Ah oui! Ihre Reise nach Marokko, natürlich. Alles so wie immer, Monsieur Tomme. «
    »Aber… Nun gut. Sie müssen Madame Geneviève einladen und – die andere Freundin?«
    »Marie-Louise.«
    »Ja. Zum Fernsehabend oder auch zum Essen. Mit Wein aus dem Keller.«
    »Ah , Monsieur. Zum Abendessen?!« Als sei das zuviel. »Mit Teetrinken wären wir mehr als zufrieden.«
    »Dann also Tee und Kuchen. Sie werden für eine Weile die Herrin des Hauses sein. Es sei denn natürlich, sie würden gern für eine Woche zu Ihrer Schwester Marie-Odile nach Lyon fahren. Wir könnten Madame Clusot bitten, solange die Pflanzen im Haus zu gießen.« Madame Clusot, jünger als Madame Annette, reinigte einmal pro Woche Bäder und Böden – sie war »die Frau fürs Grobe«, wie Tom es nannte.
    »Oh…« Madame Annette mußte offenbar erst überlegen, doch Tom spürte, daß sie Belle Ombre im August lieber nicht verlassen wollte: Oft fuhren die Herrschaften dann in Urlaub, und das Personal bekam frei, sofern es nicht mitreiste. »Ich glaube nicht, Monsieur Tomme, merci quand-même. Ich bleibe wohl lieber hier.«
    »Wie Sie wollen.« Tom lächelte ihr zu und trat durch die Seitentür auf den Rasen neben dem Haus. Vor ihm verlief der Waldweg, kaum zu sehen durch die Birnen- und Apfelbäume und die niedrigen, wild wachsenden Büsche hindurch. Einst hatte er Murchison in einer Schubkarre über diesen Weg gerollt, um ihn – provisorisch – zu begraben. Und diesen Waldweg nahm gelegentlich auch ein Bauer mit seinem kleinen Traktor auf dem Weg nach Villeperce, oder er tauchte wie aus dem Nichts mit einer Fuhre Pferdemist oder Bündeln von Brennholz auf. Der Weg gehörte niemandem.
    Tom ging weiter zu seinem gutgepflegten Kräuterbeet neben dem Gewächshaus, aus dem er sich eine lange Schere geholt hatte, und schnitt ein bißchen Rucola und ein Büschel Petersilie.
    Vom Garten hinter dem Haus aus sah Belle Ombre genauso ansprechend aus wie von vorne: zwei abgerundete Ecken mit Erkerfenstern im Erdgeschoß und im ersten Stock (oder im zweiten, wie das in Amerika hieß). Sein rötlichbrauner Stein wirkte so undurchdringlich wie die Mauern einer Burg, obwohl dieser Eindruck durch die roten Blätter wilden Weins, die blühenden Büsche und ein paar große Topfpflanzen vor seinen Mauern gemildert wurde. Tom fiel ein, daß er vor ihrer Abreise mit dem Riesen Henri sprechen mußte. Henri hatte kein Telefon, aber Georges und Marie konnten ihm Bescheid sagen. Er lebte bei seiner Mutter; ihr Haus stand in einem Hinterhof an der Hauptstraße von Villeperce. Henri war weder ein heller Kopf noch ein schneller Arbeiter, dafür aber bärenstark.
    Nun, groß genug war er ja auch, über eins neunzig. Tom stellte sich vor, wie Henri einen Angriff auf Belle Ombre abwehren würde. Lächerlich! Was
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