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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water
Autoren: Patricia Highsmith
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für einen Angriff denn? Und von wem?
    Was tat David Pritchard den ganzen Tag lang, fragte sich Tom, während er zu den drei Flügeltüren zurückging. Fuhr der Mann tatsächlich jeden Morgen nach Fontainebleau? Wann kehrte er zurück? Und womit vertrieb sich tagsüber die eher zarte, elfenhafte Janice oder Janis die Zeit? Mit Malen? Oder Schreiben?
    Ob er bei ihnen vorbeischauen sollte (natürlich nur, falls er ihre Telefonnummer nicht herausbekäme), mit einer Handvoll Dahlien und Rosen, nur zum Zeichen guter Nachbarschaft? Die Idee verlor ihren Reiz sofort wieder. Die beiden waren bestimmt Langweiler. Und er stünde nur als Schnüffler da.
    Nein, beschloß Tom, er würde hübsch hierbleiben, mehr über Marokko lesen, über Tanger und wo immer Héloïse sonst noch hinwollte, seine Kameras in Ordnung bringen und Belle Ombre auf mindestens zwei Wochen ohne Hausherren vorbereiten.
    Also tat er genau das, kaufte in Fontainebleau dunkelblaue Bermudashorts und ein paar bügelfreie weiße Hemden mit langem Arm, denn kurzärmelige mochten weder er noch Héloïse. Manchmal fuhr sie zu ihren Eltern nach Chantilly zum Mittagessen, nahm dann aber den Mercedes und ging offenbar vorher und nachher noch einkaufen, denn sie kehrte stets mit mindestens sechs Plastiktüten zurück, auf denen die Namen der Geschäfte standen. Tom begleitete sie fast nie zu dem wöchentlichen Mittagessen bei den Plissots, weil ihn diese Lunches langweilten und weil er spürte, daß Jacques, ihr Vater, ihn dort nur duldete – der Mann wußte, daß Tom schmutzige Geschäfte machte. Nun, wer war schon sauber, dachte Tom oft. Betrog nicht auch Plissot bei seiner Einkommenssteuer? Héloïse hatte einmal fallenlassen (was ihr nichts ausmachte), ihr Vater habe ein Nummernkonto in Luxemburg. Das hatte Tom auch, und das Geld auf dem Konto stammte aus der Derwatt Inc., einer Firma für Künstlerbedarf, sowie nach wie vor aus Verkäufen und Wiederverkäufen von Derwatts Bildern und Zeichnungen in London. Geschäftlich lief da natürlich immer weniger, weil Bernard Tufts, der mindestens fünf Jahre lang die Derwatts gefälscht hatte, vor Jahren umgekommen war. Durch Selbstmord.
    Wie dem auch sei: Wer war schon ganz sauber?
    Ob Jacques Plissot ihm mißtraute, weil er nicht alles über ihn wußte? Eins mußte man dem Mann lassen – er drängte Héloïse anscheinend ebenso wenig wie ihre Mutter Arlène, ein Kind zu zeugen, damit die zwei einen Enkel bekamen. Tom hatte das heikle Thema natürlich mit Héloïse besprochen, unter vier Augen. Ihr lag nicht viel an Kindern. Sie war nicht unbedingt dagegen, aber sie sehnte sich auch nicht danach. Und inzwischen waren Jahre vergangen. Tom war es egal. Er hatte keine Eltern, die er mit der Verkündung des freudigen Ereignisses entzücken könnte – seine Eltern waren im Hafen von Boston, Massachusetts, ertrunken, als Tom noch ein kleiner Junge war; danach hatte ihn Tante Dottie adoptiert, die alte Pfennigfuchserin, auch sie aus Boston. Jedenfalls spürte Tom, daß Héloïse glücklich mit ihm war, mindestens zufrieden, denn sonst hätte sie sich schon lange beschwert – oder wäre gegangen. Héloïse war eigensinnig. Und Jacques, dem alten Glatzkopf, konnte nicht entgangen sein, daß seine Tochter glücklich war und daß die beiden in Villeperce sehr geachtet waren. Vielleicht einmal im Jahr kamen die beiden Plissots zum Abendessen. Arlène allein kam etwas häufiger, ihre Besuche waren wesentlich angenehmer.
    Tom hatte seit Tagen nicht mehr an die Seltsamen Zwei gedacht, und wenn, dann nur flüchtig, als an einem Samstag mit der Post um halb zehn ein quadratischer Brief eintraf. Die Handschrift kannte er nicht; sie mißfiel ihm sofort: fette Großbuchstaben und ein Kreis über dem i, kein Punkt. Aufgeblasen und albern, fand Tom. Da er an Mme et M. Ripley gerichtet war, öffnete ihn Tom, und zwar als erstes. Héloïse nahm gerade oben ein Bad.
    Lieber Mr.   und Mrs.   Ripley,
    wir würden uns sehr freuen, wenn Sie am Samstag (also morgen) auf einen Drink vorbeikommen könnten. Ginge es gegen sechs? Ich weiß, das kommt ein bißchen kurzfristig. Falls es Ihnen nicht paßt, können wir einen späteren Termin vorschlagen.
    Wir freuen uns sehr darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen!
    Janice und David Pritchard
    Umseitig eine Karte, wo Sie uns finden. Tel.: 424-6434
    Tom drehte das Blatt um und warf einen Blick auf die einfache, handgezeichnete Karte mit Villeperce’ Hauptstraße und einer rechtwinklig abknickenden
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